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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Namen auf ihm und eine Jahreszahl, und sie wusste, dass er sich über einem leeren Grab erhob. Die sterblichen Überreste von Andrejs und Agnes’ Eltern lagen nicht in einem Grab, sondern waren irgendwo auf dem weiten Klostergelände verscharrt worden, zusammen mit den zehn Frauen und Kindern, die dem wahnsinnig gewordenen Kustoden zum Opfer gefallen waren. Irgendwann mussten Alexandras Onkel und ihre Mutter hierhergekommen sein, um diesen kleinen, unbedeutenden Kenotaph zu errichten. Sie sind tot, aber nicht vergessen, lautete die Botschaft des Grabsteins. Auch wenn sie hier, an diesem von der Welt vergessenen Ort, lagen.
    Sie bekreuzigte sich und sprach ein Gebet für die Großeltern, die sie nie gekannt hatte, dann kletterte sie wieder herunter, ratlos.
    Als sie sich umdrehte und in den finsteren Gang hineinschaute, war das bisschen Licht in ihrem Rücken und ließ eine Wand aus dem Dunkel hervortreten. Die Wand war nach wenigen Schritten abrupt zu Ende und verschwand in lichtloser Schwärze. Sie hielt den Atem an. Sie wusste, was das bedeutete – die Öffnung eines Treppenschachts in die Tiefe. Die Kellerräume, von denen Cyprian und Andrej gesprochen hatten!
    Gleichzeitig hörte sie Stimmen von draußen. WenzelsMönche waren endlich angekommen; schneller, als er selbst gedacht hatte. Plötzlich war sie erleichtert, dass sie nicht allein dort hinabsteigen musste. Sie arbeitete sich nach vorn zu der Blockade im Gang, zwängte sich hindurch und begann schon währenddessen, nach den anderen zu rufen.
    »Hier ist ein unversehrter Kellerabgang! Ich bin sicher, dass sie dort unten ist. Wenzel! Erinnerst du dich an das alte Haus in Prag und wie der alte Kardinal dort im Keller die Truhe versteckt hatte? Ich glaube, mein Vater und deiner haben es ihm einfach nachgemacht …« Sie stockte, weil ihr Kleid an etwas hängen geblieben war, und ruckte daran. Eine Hand streckte sich ihr entgegen, und sie nahm sie und ließ sich durch die Enge zerren. »Wir brauchen Schaufeln, damit wir den Durchgang erweitern können. So bekommen wir sie nach draußen. Und Fackeln – oder Laternen. Dort unten ist es so finster wie in der Seele von General Königsmarck.«
    »Nirgendwo ist es so finster wie dort, Gnädigste«, sagte eine Stimme, die sie nicht kannte, und mit einem Ruck wurde sie hervor ins Freie gezerrt. Alexandra stolperte und fiel gegen einen Mann, der nach Rauch, Schweiß und Pferd stank. Sie ertastete das Bandolier mit den Pulvermaßen über der Brust, das lederne Koller … die Kleidung eines Soldaten.
    Die Hand, die sie gepackt hatte, ließ sie nicht los. Bevor sie noch etwas sagen konnte, wurde sie weitergezerrt, dem Eingang zu, und ins Freie hinausgeschleift. Erst jetzt kam ihrem vor Schreck wie gelähmten Hirn der Gedanke, sich zu wehren, doch dann sah sie den Ring aus Männern, der den Eingang umstellt hatte, und erstarrte. Sie gafften sie alle an. Die ersten begannen zu grinsen.
    »Sie hat gesagt, dort drin sei es so finster wie in der Seele vom General«, sagte der Mann, der ihr Handgelenk festhielt.
    Die anderen grölten amüsiert.
    Alexandra fühlte ihre Beine zu Wasser werden. Soldaten – wenigstens ein Dutzend! Und noch ein paar weitere, die einzelneSchutthaufen erklommen hatten und sicherten. Es mussten Fouragiertruppen des Königsmarck’schen Heeres sein, sie sprachen sächsisch. Dass sie sich so weit von der Umgebung Prags entfernt hatten … Oder es waren Deserteure.
    Doch darauf kam es nicht an. Ein Dutzend Soldaten – und sie war hier mit Wenzel allein. Selbst wenn die Mönche aus Raigern innerhalb einer Stunde eintrafen, würden sie nur zwei Leichen finden, oder eine in einer schwarzen Kutte und etwas anderes, das noch lebte, aber flehentlich um den Tod bat. Ihr Herzschlag drückte ihr den Atem ab.
    »Wem gehört ’n der zweite Gaul?«, fragte einer der Männer.
    Sie blinzelte verständnislos und noch immer halb betäubt vor Schreck. Dann wurde ihr klar, dass er Wenzels Pferd meinte. Sie konnte sich nur mit Mühe bezwingen, nicht wild umherzustarren. Wenzel war ihnen entkommen. Er musste sich irgendwo in der Nähe versteckt haben. Hier konnte sich eine Hundertschaft verstecken, ohne dass man sie fand. Es gab noch Hoffnung!
    Sie drückte die Knie durch und richtete sich auf. »Beide Pferde gehören mir«, sagte sie von oben herab.
    »Beide sin’ gesattelt, Gnädigste. Wechseln Sie gern beim Reiten durch, oder was?«
    Sie sah ihn an. Sie wusste, dass er und seine Männer nur auf ihr »Ja« warteten,

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