Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Streifen der Verwüstung zog und in dem ein Dutzend lebloser Gestalten lag, die den schimpflichsten Tod eines Kavalleristen gestorben waren, nämlich vom eigenen Pferd zertrampeltzu werden. Ebbas Atem flog, ihr Gesicht glühte, ihr Herz raste. Da war Samuel, der immer noch seine Pistolen in den Fäusten hielt und die Zügel hatte fahren lassen. Dort war Alfred, der den Mund weit aufgerissen hatte, und auch wenn Ebba ihn nicht hören konnte, war sie sicher, dass er den Schlachtruf von ihrem letzten Einsatz wieder und wieder brüllte. Da hinten waren die anderen, Magnus, Gerd, Björn, der Rest der Småländer – die Augen riesig oder ein ebenso riesiges Grinsen im Gesicht. Am Rand der Herde hielten Cyprian und Andrej mit, als wären sie junge Männer. Ihr Einfall, die Pferde der Dragoner in Panik zu versetzen und dann als vorwärtsdonnernden, alles zermalmenden Schutzschild zu benutzen, hatte ihnen allen das Leben gerettet.
Da sah sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung, vorn bei den Ruinen, die nur noch ein paar Steinwürfe weit entfernt waren. Die Hitze verschwand schlagartig aus ihrem Körper, als sie zwei Soldaten erkannte, die offensichtlich verblüfft auf den Rest der Klostermauer geklettert waren und jetzt Musketen anlegten. Die Pferde teilten sich vor den ersten Trümmern wie ein Wasserfall und galoppierten links und rechts davon. Eine der Musketen spie ihnen einen Feuerstrahl entgegen, und sie warf den Kopf herum und sah Magnus Karlsson vom Rücken seines Pferdes verschwinden. Ihr Atem stockte. Die zweite Muskete spie Feuer und Qualm, aber ihr Schuss jagte in die Wolken, während der Schütze von der Mauer gefegt wurde. Der zweite versuchte zu fliehen und wurde noch im Sprung in den Rücken getroffen. Samuel steckte seine rauchenden Pistolen weg und packte die Zügel seines Pferdes. Magnus kam wieder zum Vorschein und ergriff die Zügel, grinste ihr zu, als wolle er sagen: Das war der älteste Trick der Welt!
Ebba blickte nach vorn, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie nah sie der Mauer schon gekommen waren, stieß sich ab und warf sich über den Hals des Pferdes, und essetzte mit einem Sprung, der fast wie ein Flug war, über die Steine hinweg und kam auf der anderen Seite schlitternd auf die Hufe, stürmte weiter – sie sah Samuel neben sich, dessen Pferd einen ähnlichen Sprung gemacht hatte, hörte das Wiehern der Dragonerpferde, die entweder in die Trümmer hineinrannten oder rechtzeitig ausweichen konnten – sie hörte das Trommeln der Hufe auf einmal zwischen Schuttbergen widerhallen, sah einen weiteren Soldaten, der vor ihnen herrannte, und zog ihre Pistole, aber er duckte sich seitlich weg, warf sich herum, versuchte eine Partisane nach oben zu richten, um ihr Pferd aufzuspießen, und flog nach hinten wie von einer unsichtbaren Faust getroffen. Die Partisane klapperte zu Boden – Andrej war plötzlich neben ihr, seine Pistole qualmend –, und dann waren sie auf einem halbwegs freien Platz vor der Ruine der Kirche und dem in sich zusammengesackten Hauptbau des Klosters und konnten die Pferde gerade noch zügeln.
Vor der Kirche standen weitere Soldaten, ein Jesuit und zwei Frauen und starrten sie an.
19.
General Königsmarck hatte einen Wutanfall. Sein Gebrüll hätte den Lärm der Viehherde, die sein Lager verwüstet hatte, mühelos übertönt. Er schrie die Offiziere an, weil sie ihn daran gehindert hatten, den riesigen Pater vom Pferd zu schießen, die Wachtmeister, weil sie es nicht geschafft hatten, Ordnung in die Mannschaften zu bringen, und die Soldaten, entweder weil sie tot im Matsch lagen oder weil sie noch lebten und die Flucht der Viehherde nicht unterbunden hatten. Dazwischen schrie er die Zofe seiner Frau an, die versuchte, ihre zerschmetterten Habseligkeiten zusammenzusuchen, und mit ihrem Geklapper seine Tiradestörte. Gräfin Maria Agathe stand mit zusammengekniffenen Lippen ein paar Schritte hinter ihrem Mann und demonstrierte erbitterte Fassungslosigkeit angesichts des Unfassbaren, nämlich dass ein Haufen von knapp drei Dutzend Prager Studenten das Königsmarck’sche Heer düpiert hatte. Links und rechts des aufgewühlten Streifens Erde, der die Spur der Viehherde darstellte, stapften Soldaten herum und zogen verbogene Ausrüstungsgegenstände, zerfetzte Kleidung und zerbrochene Waffen aus dem Dreck. Das Zelt der Offiziersfrauen stand windschief. An die Querstange des zentralen Zeltmastes klammerte sich ein Huhn; von der Zeltbahn direkt darunter rann der
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