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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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fallen, als habe sie sich verbrannt. Einer der Soldaten nutzte die Aufregung und griff nach einer weggeworfenen Muskete.
    Samuel wusste nicht, wie er vom Pferd gekommen war. Sein Fuß trat auf den Lauf der Muskete, die Finger des Soldaten wurden eingeklemmt, sein Kopf schnappte hoch, und sein Gesicht wurde lang vor Schmerz und Schreck; Samuel trat ihn gegen die Schulter, dass er nach hinten flog undhart auf den Boden prallte. Gedankenschnell raffte er die Muskete an sich – es war ein modernes Radschlossgewehr – und richtete es auf die Handvoll anderer Soldaten. Sie hatten sich nicht gerührt; auch ihre Blicke hingen an der niedergeschossenen Frau, die Cyprian auf seinen Schoß gezogen hatte, und hoben sich dann zu Samuel, und er konnte in ihnen die völlige Gewissheit lesen, dass sie nun alle getötet würden.
    Der Jesuit krümmte sich stöhnend auf dem Boden.
    Samuel starrte auf Cyprian und die Frau hinab, die Frau, von der er mittlerweile wusste, dass sie Agnes hieß und Cyprians Frau war, die Frau, der er in Wunsiedel zum Spaß einen Heiratsantrag gemacht hatte und die ebenso im Spaß geantwortet hatte, dass sie so einen wie ihn schon zu Hause habe. Da hatte er Cyprian noch nicht gekannt; jetzt tat er es und fühlte einen plötzlichen Schmerz, als ihm bewusst wurde, wie groß das Kompliment in Wahrheit gewesen war, das sie ihm gemacht hatte. Er sah, mit welcher Schnelligkeit die Farbe aus ihrem Gesicht wich; er hatte dies zu oft gesehen, um sich falsche Hoffnungen zu machen: bei Kameraden, die tödlich verwundet vor einem lagen.
    Die andere Frau musste demnach Cyprians Tochter sein. Sie schrie und strampelte; Andrej war mit ihr auf den Boden gesunken und hielt sie fest, Tränen liefen über sein entsetztes Gesicht.
    Die Småländer trieben die Soldaten an die Kirchenwand. Alle hatten jetzt die Hände krampfhaft erhoben und starrten sie mit verzerrten Gesichtern an. Sie erwarteten den Tod. Samuel sah die steinernen Mienen seiner Männer und wusste, dass sie dem Befehl folgen würden, die Soldaten erbarmungslos abzuknallen, wenn er ihn gab. Alfred stapfte herbei, bückte sich nach dem stöhnenden Jesuiten, hob ihn hoch, als wäre er ein Kind, trug ihn zu seinen Kumpanen hinüber und warf ihn ihnen vor die Füße. Der Jesuit schrieauf, als er auf den harten Boden prallte. Seine Männer starrten auf ihn hinab. Keiner fasste ihn an.
    »Lass mich zu ihr!«, schrie Alexandra und schlug mit den Fäusten um sich. »Lass mich zu ihr!«
    Cyprian presste eine Hand auf Agnes’ Leib. Als er sie hob, war sie rot vor Blut. Er hob den Blick und sah Samuel an, und Samuel wusste, dass noch niemand zuvor Cyprian Khlesl so erbärmlich hilflos gesehen hatte wie in diesem Moment.
    Agnes schlug die Augen auf. Ihre Blicke fielen auf Samuel. Sie schien ihn sofort wiederzuerkennen. Er nickte und schluckte trocken. Ihre Augen irrten ab zu Cyprians Gesicht, und das Lächeln von vorhin breitete sich wieder auf ihrem Gesicht aus.
    »Mein Lieber«, flüsterte sie und versuchte eine Hand zu heben. »Es tut mir so leid, dass wir dich zu Weihnachten so im Stich gelassen haben.« Ihre Hand fiel wieder herab.
    Cyprian begann zu weinen. Alexandra kreischte: »Lass mich looooos!«
    »Lass sie los«, hörte er sich selbst zu Andrej sagen. »Sie kann heilen, du Narr!«
    Alexandra stolperte heran und fiel neben ihrer Mutter auf die Knie. Agnes’ Augenlider flatterten. Alexandras Hände zitterten; sie versuchte, ihren Vater zu berühren, dessen Kopf auf Agnes’ Schulter gesunken war, und konnte es nicht. Sie versuchte, die Hand ihrer Mutter in die eigene zu nehmen, und brachte es nicht fertig. Ihr ganzer Körper begann zu beben, und ihr Gesicht wurde kalkweiß. Ihre Augen waren wie verlöschende Kohlen in ihrem Gesicht. Sie schwankte. Ihr Kopf hob sich, und ihre Blicke zuckten zwischen den Småländern hin und her, von denen die einen betroffen dastanden, während die anderen die Gefangenen auf die Knie zwangen und zu fesseln begannen.
    Ihr Blick blieb an Samuel hängen. Er kauerte sich nebenihr nieder und legte die Arme um sie, und sie sank in sich zusammen und begann zu schluchzen.
    »Reiß dich zusammen«, sagte er. »Wegen so einer Situation bist du Heilerin geworden.«
    Sie antwortete nicht. Er glaubte zu wissen, was in ihr vorging.
    »Manche kannst du retten, manche verlierst du«, sagte er, und die Tränen stiegen nun auch ihm in die Augen. Er hatte so viele gerettet, aber den einen, dessen Leben ihm anvertraut gewesen war, hatte er nicht

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