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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Eine Welle von Übelkeit raste von Pater Nobilis Unterleib durch seinen Körper, gefolgt von eisiger Kälte. Er öffnete den Mund. Schnee fiel ihm in die Augen, und er blinzelte. Er fühlte, wie die Klinge sich aus seiner Bauchdecke löste, sie aufriss, wie die Kälte noch schlimmer und die Übelkeit noch würgender wurde. Er glaubte zu ersticken und hustete, fühlte Blut über sein Kinn schwappen. Die Männer mit den Helmen sahen auf ihn herab. Die Klinge kam erneut auf ihn zu, legte sich sanft auf seine Brust. Pater Nobili versuchte einen Arm zu heben, um die Klinge wegzudrücken. Die Übelkeit schien ihn zu verschlingen; aus dem Kältegefühl in seinem Unterleib wurde übergangslos ein Schmerz, der so schlimm war, dass er gebrüllt hätte, wenn seine Kehle nicht von Blut überschwemmt gewesen wäre. Der Schnee fiel ihm immer noch in die Augen. Die Klinge glitt zwischen die Rippen in seine Brust, eine lodernde Flamme aus Eis, traf sein Herz, zerschnitt es, die Atemlosigkeit wurde unerträglich, Feuerglut schoss durch Pater Nobilis Gliedmaßen.
    Wir alle sind ein Teil der Hoffnung, dachte er.
    Der Schnee fiel weiter in seine Augen. Doch sie blinzelten nicht mehr.Die Männer mit den Partisanen traten beiseite. Eine Gestalt löste sich aus der Finsternis eines Hauseingangs. Als sie neben Pater Nobilis reglosem Körper niederkniete, wurde klar, dass die dunkle Gestalt ein weiterer Jesuit war – ebenso gekleidet wie Pater Nobili in einen langen, gefältelten Mantel und mit dem dreieckigen Hut auf dem Kopf. Eine schlanke weiße Hand streckte sich aus und schloss dem Toten die Augen, sanft wie ein Liebhaber. Die Arme des Toten waren ausgestreckt; der Neuankömmling beugte sie und faltete die leblosen Hände über der Brust. Wären das Loch in seinem Mantel, direkt über dem Herzen, und der aufgerissene Stoff über dem Unterleib nicht gewesen, wo Blut und das unsägliche Gekräusel von halb herausgerissenem Gedärm glänzten, hätte man meinen können, Pater Nobili wäre eines friedlichen Todes gestorben. Die kniende Gestalt wandte sich zu den beiden Bewaffneten um. Diese zuckten zusammen und rissen sich die Helme vom Kopf.
    »Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen«, sagte die kniende Gestalt. »Ich wünschte, dies wäre nicht nötig gewesen, Bruder. Möge Gott mir verzeihen und deine Seele gnädig aufnehmen. Ich habe mich an dir versündigt.«
    »Amen«, brummte einer der beiden Bewaffneten. Der andere stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite. »’tschuldigung«, sagte der Bewaffnete.
    »Amen«, sagte die dunkle Gestalt und stand auf. »Bringt ihn weg. Er soll nicht gefunden werden. Wenn alle glauben, er sei noch am Leben, umso besser.«
    Die Bewaffneten hoben Pater Nobili auf, als wiege er nichts. Die dunkle Gestalt sah ihnen nach, wie sie ihn forttrugen, und sagte leise: »Manchmal geht das Wohl aller über das des Einzelnen. O Herr, ich wünschte, ich müsste diese Bürde nicht tragen. Aber ich werde das Buch finden, und dann erst wird es wahre Hoffnung geben.«

7.
    Der Knall erreichte Alexandra im selben Augenblick, als der Kopf des bayerischen Dragoneroffiziers aufplatzte. Die linke Gesichtshälfte Erik Wrangels war plötzlich rot. Der Dragoner sackte in sich zusammen, eine Gliederpuppe, deren Fäden durchtrennt waren, ein Haufen Gliedmaßen in schmutzigen, bunten Gewändern. Eben noch hatten seine hämischen Worte in der Luft gehangen, und nun war seine Seele bereits auf dem Weg in die Hölle. Wrangel stolperte einen Schritt zurück, so langsam wie in einem Traum. Die bayerischen Soldaten gafften.
    Aus der weißen Qualmwolke, die aus einem dichten Fichtenbestand hervorquoll, sprangen plötzlich Pferde mit Reitern darauf. Alexandra sah dunkelgrüne Lederkoller über türkisfarbenen Jacken, blitzende Helme mit Wangen- und Nackenschützern, einen Offizier mit einem dunklen Hut und einer gelben Feder obenauf. Zwischen den Reitern sprang ein Musketier aus der kleinen Schonung, die Waffe noch rauchend, die Gabel in der anderen Faust; er rammte sie in den Boden und begann in aller Seelenruhe die Muskete zu laden, während die Reiter an ihm vorbeigaloppierten, dass ihm beinahe der Hut vom Kopf gerissen wurde. Sie sah einen der bayerischen Soldaten, der vollkommen fassungslos vor dem heranstürmenden halben Dutzend Angreifer stand, einen langen Spieß nutzlos in den Händen. Im nächsten Moment war er unter den Hufen des vordersten Pferdes verschwunden. Der Offizier mit der gelben Feder ließ die Zügel los, richtete

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