Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Hexenwahn fast jede Seele im Land ergriffen hatte, entschuldigt gar nichts. Diejenigen, die hier noch katholischen Glaubens sind, werden schön das Maul halten, denn alle, die zu Luther übergelaufen sind, werden die Gelegenheit wahrnehmen, sich beim schwedischen Hauptmann auf der Burg einzuschleimen, indem sie mit den Fingern auf ihre nicht konvertierten Nachbarn zeigen und sagen, diese seien Hexenbrenner. Ich werde schön das Maul halten, was das angeht.«
»Ich sehe, dass die Menschen hier in der Not ebenso zusammenhalten wie anderswo«, sagte Cyprian, aber sein Zynismuswar an den Ordensmeister verschwendet. »Besonders weil ihre Anführer ihnen mit gutem Beispiel vorangehen.«
Andrej gab ihm unter dem Tisch einen Schubs. »Ehrwürden«, sagte er. »Ist es nicht genug, dass ein Einsiedler draußen im Wald erschlagen wurde, nur weil Anna Morgin sich zu ihm rettete und er ihr Asyl geben wollte? Und dass Anna Morgin verbrannt wurde, obwohl sie unschuldig war und drei kleine Kinder hinterließ, reicht auch noch nicht? Helfen Sie uns wenigstens aufzuklären, was aus dem Jungen geworden ist, der bei dem Einsiedler lebte. Die Zukunft Egers kann nicht auf den Knochen von Unschuldigen errichtet werden.«
»Kommen Sie mir doch nicht so«, erwiderte der Ordensmeister und schnappte sich den Krug. »Sie und ich wissen doch, dass alles und jedes auf den Knochen Unschuldiger erbaut worden ist.« Der Ordensmeister schüttelte den leeren Krug über seinem Becher und hatte den Anstand, halbwegs überrascht auszusehen. »Äh …?« Er sah sich suchend um und fasste schließlich nach der Klingel, um einen Dienstboten zu holen. Cyprian war schneller und brachte die Klingel an sich. Der Ordensmeister sah noch überraschter aus. Dann sah er Cyprians mitleidloses Lächeln und sank in sich zusammen. Er schob den Becher von sich weg.
»Sie können leicht über mich urteilen«, murmelte er. »Sie müssen nicht hier leben. Ich bin lediglich geduldet. Die wenigen Katholiken, die es noch gibt, brauchen eine Anlaufstelle. Ich kann nicht riskieren, dass ich aus der Stadt gewiesen werde, schon gar nicht für jemanden, der seit Jahren tot ist.«
»Sie haben doch auch die Brieftaube abgeschickt. Tun Sie nicht so, als wären Sie in Ihrem Herzen nicht ein anständiger Kerl.« Andrej lächelte den Ordensmeister an. Cyprian schwieg; seinem Schwager war es schon immer leichter gefallen, sich mit Worten einen Freund zu machen. Doch der Ordensmeister schnaubte nur und streckte die Hand nach der Klingel aus.
»Was glauben Sie, wen ich dort drinnen«, er deutete auf seinen Kopf, »zu ertränken versuche? Wenn ich gewusst hätte, dass meine Nachricht an die Kommende in Prag mir Sie beide auf den Hals holt, hätte ich der Taube den Hals umgedreht.«
Cyprian hielt die Klingel nach wie vor außer Reichweite. »Was ist mit dem Jungen passiert? Ist er ebenfalls ermordet worden? Hat er überlebt? Was ist damals geschehen?«
Der Ordensmeister schielte nach der Klingel. »Was soll das?«, stöhnte er. »Ich brauche nur nach dem Dienstboten zu rufen – und nach den Bütteln.«
»Saufen Sie meinetwegen, bis Sie bewusstlos vom Stuhl fallen«, sagte Cyprian. »Was die Büttel betrifft – das sind jetzt die schwedischen Soldaten. Sie werden schön bei Ihrer Devise bleiben, nämlich das Maul zu halten, wenn Sie die Kerle nicht auf sich aufmerksam machen wollen.«
»Was hab ich Ihnen denn getan, zum Henker noch mal!?«
»Sie? Nichts. Im Gegenteil. Sie haben uns einen Gefallen getan, indem Sie uns auf den Mord an dem alten Einsiedler aufmerksam gemacht haben. Und jetzt tun Sie uns noch einen Gefallen und sagen Sie uns, was aus dem Jungen geworden ist.«
»Ich weiß überhaupt nichts von einem Jungen!«, schrie der Ordensmeister. »Verschwinden Sie aus meinem Haus – alle beide!«
Cyprian grinste geringschätzig.
»Lassen Sie uns doch vernünftig …«, begann Andrej.
Der Ordensmeister beugte sich nach vorn und schnappte sich Andrejs halb vollen Weinbecher. Er trank so gierig, dass ihm der Wein in zwei Rinnsalen aus den Mundwinkeln bis zum Hals hinunterrann. Dann knallte er den Becher auf die Tischplatte und wurde auf die Gesichter seiner beiden Besucher aufmerksam. Langsam ließ er den Kopf nach vorn sinken, bis seine Stirn die Tischplatte berührte. Cyprian hörte ihn stöhnen.
»Was ist aus mir geworden?«, flüsterte der Ordensmeister. »Was ist nur aus mir geworden?«
Andrej und Cyprian sahen sich erneut an. Cyprian stellte die Klingel zurück auf
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