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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Ein kleiner Junge rappelte sich auf, kroch heran wie ein Hund, der zu oft geschlagen worden ist, riss die Münzen an sich und brachte sie dem Anführer der Gruppe. Dieser musterte sie im Schein des Feuers, dann nickte er Cyprian und Andrej zu.
    »Der ›Gezeichnete‹«, sagte Cyprian.
    Die Menschen am Feuer wechselten Blicke. Ein paar Frauen bekreuzigten sich stumm. Das Klopfen der Partisane hielt einen Moment lang inne und begann dann wieder vonNeuem. Das Feuer prasselte, etwas pfiff. Heilige, Engel und allegorische Ansichten wanden sich in den Flammen.
    Schließlich kramte Cyprian weitere Münzen heraus. Der Akt mit dem kleinen Jungen wiederholte sich. Die Münzen wurden begutachtet, ein paar davon abgezweigt, dann der Junge mit einer Kopf bewegung in Richtung der Ruine geschickt, die einmal die Klosterkirche dargestellt hatte. Der Junge verzog das Gesicht und zögerte. Der Mann mit der Partisane gab ihm eine Ohrfeige. Der Junge schüttelte heftig den Kopf und begann zu weinen. Blut quoll aus seiner Nase. Der Mann holte erneut aus, und der Junge duckte sich und rannte mit dem Rest der Münzen in die Dunkelheit hinein. Cyprian fühlte eine Hand auf seinem Arm und wusste, dass es Andrejs war. Er merkte erst jetzt, dass er einen Schritt nach vorn gemacht hatte.
    Der Mann mit der Partisane musterte sie lange. Er war vorgetreten und stand jetzt neben dem Feuer. Cyprian konnte sehen, dass seine Kleidung aus Lumpen bestand und dass in dem Strick, der seine Hosen festhielt, noch eine kurze Axt und ein langes, schartiges Messer mit abgebrochenem Griff steckten. Die Blicke des Mannes sprangen von Cyprian zu Andrej und zurück. Dann stieß er mit dem Fuß eine der Frauen an, die um das Feuer saßen. Die Frau sah Cyprian unter einem Vorhang fettigen, filzigen Haares hervor an, dann zerrte sie das Oberteil ihres Gewandes herunter und entblößte zwei schmutzig weiße, dürre Brüste. Die Kopf bewegung des Mannes zu Cyprian hin war eindeutig.
    Cyprian schüttelte mit steinerner Miene den Kopf.
    Der Mann schien nachzudenken. Dann stieß er ein halbwüchsiges Mädchen neben der Frau an. Auch diese griff nach ihrem Mieder, doch bevor sie es herunterziehen konnte, schüttelte Cyprian erneut den Kopf.
    Die Blicke des Mannes ruhten noch länger auf Cyprian, dann ruckte sein Kinn, und Cyprian hörte Andrejs Keuchen,als ein weiterer kleiner Junge aufstand, ein scheues Lächeln hervorzubringen versuchte und sich dann einen schmutzigen Finger in den Mund steckte. Das Lächeln galt Cyprian. Der Junge bewegte den Finger in seinem Mund hinein und heraus.
    »Sag dem Kleinen, er soll sich hinsetzen«, hörte Cyprian sich sagen. »Und wenn du dich noch einmal bewegst, polier ich dir die Schnauze, dass du deine letzten drei Zähne hier und jetzt fressen kannst.«
    Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem verächtlichen Grinsen, in dem tatsächlich mehr Zahnlücken als Zähne zu sehen waren. Dann sah er Cyprian genauer ins Gesicht, und das Lächeln verlosch. Seine Lider begannen zu zucken. Schließlich wandte er sich ab und spuckte ins Feuer, aber er nahm den Blickkontakt nicht noch einmal auf. Ein Fußtritt traf die barbusige Frau, und diese zog ihr Mieder mit gleichmütiger Miene hoch.
    Cyprian neigte sich zu Andrej hinüber.
    »Du kannst den Fuß wieder runternehmen«, murmelte er. »Meine Hühneraugen wären dir dankbar.«
    »Ah ja«, sagte Andrej und hob den Stiefel, mit dem er Cyprians Fuß festgenagelt hatte.
    Es war nicht zu erkennen, dass sich sonst irgendetwas geändert hätte. Der Mann mit dem Waffenarsenal im Gürtel setzte sich hin und starrte in das Feuer; nach und nach wandten auch die anderen die Blicke ab. Cyprian wünschte sich plötzlich, er hätte seine Warnung nicht ausgesprochen, sondern wäre sofort über den Anführer der verhärmten Gruppe hergefallen. Er ballte die Fäuste.
    Endlich kam der kleine Bote zurück und tauchte keuchend im Feuerschein auf. Er nickte. Der Mann mit den Waffen nickte auch und bewegte das Kinn hin zu Andrej und Cyprian. Der Kleine ließ die Schultern sinken und schlurfte herüber.
    »Kommt mit«, piepste er.
    Sie folgten dem Jungen in die Finsternis hinein. Erneut wurde die Erinnerung an den Tag in Podlaschitz lebendig, an dem Cyprian zunächst entdeckt hatte, dass Andrej, den er bis dahin für einen harmlosen, hilflos in eine Frau von höherem Stand verliebten Tolpatsch gehalten hatte, ihm heimlich gefolgt war, und an dem sie danach gemeinsam in das Reich von Kreaturen eingedrungen waren, die

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