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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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den Tisch. Sie standen beide auf und machten sich auf den Weg zur Tür. Der Ordensmeister regte sich nicht. Auf halbem Weg kehrte Cyprian um, einem Instinkt folgend, und ließ ein paar Münzen auf die Tischplatte fallen.
    »Ich will Ihr Geld nicht«, murmelte der Ordensmeister.
    »Ein anständiger Mensch würde das Geld nicht wollen«, sagte Cyprian. »Sie schon.«
    Er nahm Andrej am Arm und schob ihn vor sich her zur Tür. Er hatte sie schon geöffnet, als der Ordensmeister sich aufrichtete. Mit einer zitternden Hand fegte er die Münzen zusammen und raffte sie dann an sich. Zuletzt drehte er sich zu seinen Gästen um.
    »Suchen Sie das Dominikanerkloster auf«, sagte er. »Es liegt im zerstörten Teil der Stadt. Sie erkennen es daran, dass es genauso eine Ruine ist wie alles andere.« Er lachte freudlos. »Die Dominikaner haben Eger verlassen, genau wie die anständigen Menschen. Im alten Kloster hausen nur noch Ratten. Suchen Sie nach der größten Ratte von allen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Fragen Sie nach dem ›Gezeichneten‹.«
    »Wonach?«
    »Sie haben mich schon richtig verstanden. Hier, nehmen Sie Ihr Geld. Geben Sie es ihm. Vielleicht können Sie damit die Antworten erkaufen, die Sie haben wollen.«
    »Danke«, sagte Andrej, als Cyprian schwieg. »Wir wollten Ihnen nicht zu nahetreten, aber es ist wichtig, dass wir …«
    »Schicken Sie mir den Dienstboten mit Wein rauf«, sagte der Ordensmeister. »Und tun Sie mir einen Gefallen und kommen niemals wieder hierher.«Tatsächlich war es nicht allzu schwer, die Ruine des ehemaligen Dominikanerklosters zu finden, obwohl mittlerweile die Dämmerung hereingebrochen war und mit der Dunkelheit ein kalter, suchender Nebel kam, der in jede Kleideröffnung drang.
    Andrej und Cyprian standen vor dem zerstörten Tor und sahen sich um. Jenseits des Trümmerfeldes, wo sich der intakte Teil der Stadt erhob, funkelten die Lichter von Laternen und erleuchteten Zimmern hinter Fensteröffnungen, scheinbar Meilen entfernt. Die Ruinen dazwischen waren leblos und dunkel, eine Wüste aus Schatten. Dass da und dort auch in den Trümmern ein Licht blinkte, das von einer Feuerstelle kommen musste, machte sie umso einsamer.
    »Tja«, sagte Cyprian. »Dann fragen wir mal einen der tausend Leute, die hier herumlaufen, nach dem ›Gezeichneten‹.«
    »Da drin sehe ich ein Licht – auf dem Klostergelände. Wahrscheinlich ist jemand dort untergekrochen. Sehen wir mal nach.«
    Cyprian nickte und bewegte sich nicht. Er musterte das düstere Ruinenfeld vor sich mit zusammengekniffenen Augen. Andrej seufzte.
    »Also gut«, gestand er. »Mir geht es genauso.«
    »Es ist fast wie damals im alten Kloster in Podlaschitz«, sagte Cyprian. »Als wir feststellten, dass wir nach dem Gleichen suchten.«
    »Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft«, sagte Andrej, und die freundliche Ironie war so untypisch für ihn, dass Cyprian sich abwandte und ihn von oben bis unten ansah. »Schau mich nicht so an – ich hab’s ernst gemeint.«
    »Das eine oder andere Gute ist aus dieser Teufelei tatsächlich entstanden.«
    »Ich würde sogar sagen, es ist mehr Gutes als Schlechtes daraus geworden.«
    Cyprian lächelte plötzlich. »Also strengen wir uns an,dass uns dieses Wunder noch ein letztes Mal gelingt. Nach Ihnen, Herr von Langenfels.«
    Das Licht, das Andrej gesehen hatte, gehörte zu einem Feuer, das in etwas brannte, was einmal die Unterkunft für weltliche Besucher des Klosters gewesen sein musste. Eine Gruppe von vielleicht einem Dutzend Menschen drängte sich darum herum, Frauen, Kinder, Alte. Eine Gestalt richtete sich auf, ein hagerer Mann mit unrasiertem Gesicht und verfilzten Haaren. Er wog eine abgebrochene Partisane mit rostiger Klinge in der Hand und gab sich keine Mühe, sie zu verbergen.
    »Womöglich können Sie uns bei unserer Suche helfen«, sagte Andrej.
    Die Augen aller am Feuer Sitzenden wandten sich ihnen zu. Cyprian sah mit einem merkwürdigen Gefühl im Leib, dass das, was sie verbrannten, Stücke eines klein gehackten Altartryptichons waren. Bunte Farben blubberten und zischten in den Flammen und färbten sich schwarz; ein Gestank wie von einer in Brand geratenen Malerwerkstatt hing über der Gruppe und wetteiferte mit dem kalten Nebel darum, wer den übelsten Hustenreiz auslösen konnte. Alle schwiegen. Der Mann mit der Partisane klopfte damit langsam gegen sein Bein.
    Cyprian hob die Hand und ließ die Münzen sehen.
    Der Mann mit der Partisane machte eine Kopf bewegung.

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