Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
und keine sah der anderen ähnlich. Und dabei hat das dumme Aas nur einen geliebt – ihren Caspar. Die anderen hat sie an ihr Kätzchen gelassen, damit sie was zum Beißen hatte – aber wenn ihr Caspar sie besuchte, dann ist das Dach ihrer Bruchbude davongeflogen, das kannst du mir glauben. Überzeugt, Blödmann?«
»Ich bin hingerissen«, sagte Andrej.
Es kam, wie es kommen musste. Jemand bezichtigte Anna Morgin der Hexerei – hatte angeblich gehört, wie sie Gott, der allerseligsten Gottesmutter und allen Heiligen abgeschworen hatte, hatte gesehen, wie sie mit ihrem Buhler Caspar um Mitternacht tanzte und dabei Wolfsgestalt annahm, war Zeuge geworden, wie sie Wetter- und anderen Schadenszauber verübt, das heiligste Altarssakrament geschändet und – aha! – mit unlauteren Mitteln den Männern der Stadt die Köpfe verdreht hatte. Man verhaftete Anna Morgin, konfrontierte sie mit den Anschuldigungen, erläuterte ihr die peinliche Befragung und zeigte ihr die Instrumente, und als darauf noch immer kein Geständnis kam, wendete man diese Instrumente an.
»Da haben die zugesehen, denen sie eine Woche vorhernoch den Saft aus dem Sack gevögelt hat«, sagte der Alte. »Ich wette, dem einen oder anderen ist dabei einer in die Hose gegangen, und er hat sich gefragt, warum er nicht schon eher auf die Idee gekommen ist, Anna auf den Block zu spannen. Na, Blödmann, hast du schon mal …«
»Noch eine solche Unterbrechung«, sagte Cyprian, und die Blicke des Alten schnappten überrascht von Andrej zu ihm, »und ich quetsche den Saft aus dir raus, und danach wird weniger von dir übrig sein, als man damals aus den Hosen der Richter herauswringen konnte.«
»Zu Befehl, Euer Gnaden«, sagte der Alte mit wutverzerrtem Gesicht.
Vielleicht dachte Anna daran, dass nach einem Geständnis der Tod auf dem Scheiterhaufen unausweichlich sein würde – und was sollte dann aus ihren Töchtern werden? Vielleicht dachte sie, ihr Wissen um die nächtlichen Vorlieben der halben Stadt würde ihr einen gewissen Schutz verleihen. Sie gestand auch nach der Tortur nicht.
»Dann ließen sie sie zusehen, wie sie ihren Caspar verbrannten«, sagte der Alte. »Der Bursche hat alle Erwartungen erfüllt, so hat er gebrüllt. Auf dem Block hatte man ihm wohl die Beingelenke zerrissen; jedenfalls mussten sie ihn auf den Richtplatz tragen, und als ihm das Feuer die Zehen zu versengen begann, schrie er wie ein Ochse nach der Kastration. Das hat Anna zu denken gegeben …«
Anna wurde ohnmächtig. Das barbarische Schauspiel schien seine Wirkung zu tun – und noch mehr. Am nächsten Morgen gestand Anna Morgin alles, was gegen sie vorgebracht worden war. Offenbar war ihr Caspar im Traum erschienen und hatte ihr empfohlen, dies zu tun; er schwor, von der Gottesmutter Maria selbst erfahren zu haben, dass ihr bei einem Geständnis Gnade zuteilwürde.
»Was glaubt ihr, stellte sich heraus?«, sagte der Alte und kicherte erneut. »Die Gottesmutter hatte sich geirrt.«
Das Nächste, was auf der Tagesordnung stand, war die Untersuchung Annas auf Hexenmale. Sie wurde von einer Hebamme und einer Zeugin vorgenommen. Die Zeugin war die Frau des Stadtrichters; der Stadtrichter selbst hatte Annas Dienste mehrfach genossen, als sie noch keine Hexe, sondern die Stadthure gewesen war.
»Die Untersuchung dauerte und dauerte«, sagte der Alte. »Am Anfang wurden sie nicht misstrauisch, weil man dazu ja jeden Quadratzoll des Körpers nach Malen absuchen muss und weil die Herren im Gerichtssaal vermutlich darüber nachsinnierten, welcher Körperteil jetzt gerade untersucht wurde und ob es wohl Annas F…«
»Schon gut«, sagte Cyprian. »Wir wissen jetzt, wie farbig du erzählen kannst.«
»Zimperlich, Freundchen?«
»Angeödet würde es eher treffen.«
Der Alte spuckte auf den Boden. »Du bist nicht anders als die bigotten Säue damals. Du hättest Anna deinen Schwanz auch überall reingesteckt und danach rumgezetert und mit dem Finger gezeigt und gebrüllt: Verbrennt die Hexe!«
»Zu welcher Fraktion hast du denn gehört? Du scheinst ja an vorderster Front mit dabei gewesen zu sein.«
Der Alte funkelte Cyprian an. Dann wandte er sich an Andrej und öffnete den Mund, doch Cyprians Drohung schien ihm wieder einzufallen. Was Andrej betraf, so hörte er mit einer Mischung aus Grauen und Faszination zu. Eine Geschichte wie diese musste wohl von einem Menschen erzählt werden, der so voller Bosheit steckte wie der Mann im Thronsessel. Hatte er vorhin gedacht,
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