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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Scharfrichters warfen die Haken weg und rannten fort. Die Holzscheite sprangen in alle Richtungen davon. Sie kam aus den Flammen hervor wie der Engel des Herrn, ganz in Feuer gehüllt, die Arme erhoben, die Reste der Fesseln noch glimmend, fiel ein zweites Mal vom Scheiterhaufen herunter, blieb auf dem Boden liegen, immer noch brennend, immer noch rauchend … wälzte sich … JESUS MARIA! ES TUT SO WEH! Das Feuer … das ist der schlimmste Tod, den man einem Menschen wünschen kann … das Feuer … es tut so weh … ERBARMEN! ERSCHLAGT MICH! JESUS MARIA, ES TUT SO WEH!!«
    Andrej ertappte sich dabei, wie er ein paar Schritte zurückstolperte. Der Alte hatte seine Klaue vor den Mund geschlagen, und seine Augen waren blutunterlaufen. Plötzlich blinzelte er. Ein Schauer überlief ihn. Seine Hand sank herab. Ein Grinsen stahl sich wie ein Schatten auf seine Züge und gewann dann an Kraft.
    »Das blöde Stück«, sagte er. »Zu dumm, um ordentlich abzukratzen.«
    Andrej fing Cyprians Blick auf. Er brauchte nicht zu nicken; er und Cyprian wussten, dass sie in den Momenten zuvor einen Blick in die wahre Seele des alten Mannes geworfen hatten, die sich unter Schichten aus Bosheit, Zynismus und jahrealtem Auswurf verkrochen hatte.
    »Wer von den Zuschauern noch zurückgeblieben war, entdeckte plötzlich die Tugend des Mitleids«, sagte der Alte, als ob nichts gewesen wäre. »Sie löschten, was von Anna noch übrig war. Sie flüsterte, dass man ihr den Kopf abschlagen solle, oh, schlagt mir den Kopf ab, dann verbrennt mich meinetwegen, ich halte es nicht mehr aus, schlagt mir den Kopf ab …« Der Alte schüttelte sich, aber er erlaubte dem Entsetzen nicht, erneut die Gewalt über ihn zu erlangen. »Der Henker konnte nicht – er hatte ja nur die Erlaubnis, sie zu verbrennen. Irgendwann kamen sie auf die Idee, den Pfarrer aus der Stadt zu holen – was glaubst du, warum der alte Schwanz nicht zur Richtstätte gekommen war, Blödmann?«
    Andrej winkte ab. Der Alte lachte hämisch.
    »Ja, genau. Jetzt kam er aber angewatschelt, und was glaubt ihr, was das Arschloch wissen wollte? Warum Anna das Messer gegen sich selbst gerichtet hatte. Und sie antwortete ihm auch noch, sagte, dass in einem zweiten Traum der Teufel selbst gekommen wäre und ihr es eingegeben habe. Der Teufel … ha! Ich sage, das war die einzige Tat mit Hirn, die die Fotze jemals vollbracht hat, und selbst das ist noch schiefgegangen.«
    »Was ist dann geschehen?«
    Die Umstehenden hatten Annas brennenden Körper mit Wasser und Decken gelöscht, und ihre Schmerzen schienen ein Stadium erreicht zu haben, in dem ihre Nerven taub geworden waren. Sie beichtete in aller Form und bat um die Hostie und darum, dass man ihr den Tod geben wolle. Doch der Pfarrer hatte die Hostie nicht bei sich und vertröstete Anna auf den folgenden Tag, einen Sonntag, und auch die Ratsherren (einige von ihnen waren wieder zur Richtstätte zurückgekehrt, nachdem sie zuerst gemeinsam mit den Henkersknechten Fersengeld gegeben hatten) baten sich eine neue gemeinsame Beratung aus. Darüber kam die Vesper,und während all dieser Stunden lag Anna Morgin, deren Haut schwarz und braun verbrannt war und die von ihrer eigenen Mutter nicht wiedererkannt worden wäre, neben ihrem Scheiterhaufen, der langsam herunterbrannte, und bat um den Tod. Irgendwann – und als er diesen Teil der Geschichte hörte, fühlte Andrej seine Beine weich werden – begann sie über Schmerzen im Fuß zu klagen, und es stellte sich heraus, dass der Henker die Nadel, die er unter ihre Nägel gesteckt hatte, unter einem Fußnagel vergessen hatte. Er zog sie heraus, und sie dankte ihm.
    »Der Magistrat brauchte bis zum Montagmorgen, um sich darüber klar zu werden, was mit ihr geschehen sollte«, sagte der Alte. »Dann einigten sie sich darauf, sie mit dem Schwert richten zu lassen und dann erst zu verbrennen. Anna ging aus eigener Kraft zum Richtplatz hinaus, und jeder in der Stadt, der laufen konnte, folgte ihr. Sie kniete nieder, vergab dem Henker und …« Der Alte räusperte sich. »… und danach verbrannten sie sie zu Asche und verstreuten diese in den Wind.«
    »Was ist aus dem Jungen geworden?«, fragte Cyprian, noch während der Alte nach seinem letzten Wort Atem holte.
    Der Alte musterte ihn. »Um den Bengel geht’s euch? Warum habt ihr das nicht gleich gesagt, ihr Trottel?«
    »Worum ging es denn dem Jesuiten?«
    »Den Bengel haben sie aufgehängt«, sagte der Alte. »Natürlich haben sie ihn auch der

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