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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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die Augen des Alten schwenkten zu Andrej herum. »Was wollt ihr zwei?«, fragte er.
    »Antworten«, grollte Cyprian.
    »Ihr habt nichts mit dem Jesuiten zu tun. Der Jesuit hat versprochen, dass er mir noch mehr Medizin bringen lässt. Wo ist die Medizin, hä?« Die Blicke des alten Mannes huschten zwischen Cyprian und Andrej hin und her. Er kniff ein Auge zusammen und verzog den Mund, und was dort drin an schwarz verfaulten Ruinen zu sehen war, ließ Andrej einenSchauer über den Rücken laufen. Allein der Gedanke, diese Fäulnis im Mund zu haben, selbst wenn es die eigene war, musste einem normalen Menschen Schweißausbrüche verursachen.
    Unverhofft begann der Alte zu lachen. »Da draußen erfahrt ihr nichts«, keuchte er. »Die bigotten Idioten! Ich schäme mich nicht. Es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste. Ich habe recht getan.«
    »Na, das ist doch ein guter Anfang«, sagte Andrej.
    Die Klaue des Alten öffnete sich und offenbarte die Münzen, die der Junge hierhergebracht haben musste. Er schielte darauf.
    »Da ist mehr, wo das herkommt«, erklärte Andrej.
    »Was ist aus dem Jesuiten geworden?«, fragte der Alte.
    »Keine Ahnung – sag du es mir.«
    »Wie viel mehr?«
    »Kommt darauf an, was deine Geschichte wert ist.«
    »Ihr seid zwei ausgemachte Trottel«, sagte der alte Mann. »Verschwindet.«
    Andrejs Herz sank. Wie es schien, hatten sie sich selbst überlistet. Umso überraschter war er, als Cyprian sich plötzlich nach vorn beugte, beide Hände auf den Seitenlehnen des Thronsessels abstützte und sein Gesicht so nahe an das des Alten heranbrachte, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Andrej erinnerte sich daran, wie sie beide in das Lager der Aussätzigen in Podlaschitz eingedrungen waren und wie Cyprian (nicht anders als Andrej selbst, daran gab es nichts zu beschönigen) versucht hatte, nichts anzufassen, was ein Aussätziger zuvor berührt haben könnte. Im Licht dieser Erkenntnis war die Geste, sich in den unmittelbaren Dunstkreis des Alten zu begeben, die Tat eines Helden; Andrej zweifelte, ob er selbst so weit gegangen wäre. In seiner Vorstellung spannten tausend kriechende Parasiten ihre Muskeln, um auf Cyprian hinüberzuspringen.
    »Ich habe drei Dinge«, sagte Cyprian in das fassungslose Gesicht des Alten hinein. »Ich habe Geld, eine Mordswut im Bauch und keine Geduld. Was davon willst du haben?«
    »Du bläst dich auf«, sagte der Alte.
    Cyprian hob die Hand, und Andrej war sicher, dass er das ekelerregende Geschöpf aus seinem dreckstarren Deckenpanzer herausgezogen hätte, wenn dieses nicht zusammengezuckt und eine Hand abwehrend vor das Gesicht gehoben hätte.
    »Geh weg!«, schrie der alte Mann und fuchtelte. »Geh weg!«
    Cyprian richtete sich auf und wischte sich ganz demonstrativ die Handflächen an der Hose ab. Der Alte sank in sich zusammen.
    »Ihre Asche ist in alle Winde verstreut«, murmelte er. »Und wie der Wind kommt sie zurück, um mich zu verfolgen. Nach all den Jahren …«
    »Sprichst du von Anna Morgin?«, fragte Andrej.
    Der Alte schenkte ihm einen hasserfüllten Blick. »Wovon sonst, du Schlaumeier?«
    »Hat der Jesuit sich ebenfalls nach Anna Morgin erkundigt?«
    »Halt die Fresse«, sagte der Alte, »wenn du die Geschichte hören willst.«
    Andrej zog eine Augenbraue nach oben, schüttelte aber den Kopf, als Cyprian Atem holte. »Ich bin ganz Ohr«, sagte er so liebenswürdig, als säße Kaiser Ferdinand vor ihm auf dem Thron.
    Der Alte musterte sie. Plötzlich kicherte er. »Sie haben sie verbrannt. Als Hexe!« Sein Kichern wurde lauter. »Als Hexe! Ist das nicht komisch?«
    »Selten so gelacht«, pflichtete Cyprian ihm bei.
    Der Alte wurde schlagartig ernst. »Wenn je ein Weibsstück keine Hexe war, dann Anna. Hexen sind schlau. Annawar dumm wie Stroh.« Er schmatzte mit den Lippen. »Das Einzige, was sie konnte, war ficken. Hast du schon mal gefickt, Blödmann?« Die Frage war an Andrej gerichtet.
    Wie schön , dachte er unwillkürlich. Cyprian droht ihm Prügel an, und ich bin der Blödmann.
    »Du wärst überrascht«, erwiderte er.
    »Hast du nicht«, sagte der Alte. »Nicht, wenn du Anna nicht gefickt hast. Halb Eger hat sie dringehabt, und auf jeden Fall den gesamten Stadtrat. Die Weiber haben sie gehasst. Wenn du die Anna hattest, warst du verdorben für die anderen Weiber, die sich nur hingelegt und die Beine breit gemacht und den Rosenkranz gebetet haben, während ihre Herren Ehegatten sich müde strampelten. Drei Töchter hatte Anna,

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