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Die Erbin Der Welt erbin1

Die Erbin Der Welt erbin1

Titel: Die Erbin Der Welt erbin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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einiger Zeit stand ich leicht verärgert auf, ging zur Tür, rief einen Diener herbei und bestellte etwas zu essen. Aus reiner Höflichkeit bestellte ich zwei Portionen, obwohl ich nicht wusste, ob und was Götter aßen.
    Als ich mich herumdrehte, hatte Si'eh endlich aufgehört zu lachen. Er saß auf dem Bettrand und sah mich nachdenklich an.
    »Ich könnte älter sein«, sagte er sanft. »Also, wenn du mich lieber älter hättest. Ich muss kein Kind sein.«
    Ich starrte ihn an und wusste nicht, ob ich Mitleid oder Übelkeit empfinden sollte — oder beides gleichzeitig.
    »Ich möchte, dass du ganz du selbst bist«, sagte ich.
    Sein Ausdruck wurde ernst. »Das ist nicht möglich. Nicht, solange ich in diesem Gefängnis bin.« Er berührte seine Brust.
    »Schreibt...« Ich wollte sie nicht meine Familie nennen. »Schreiben andere dir vor, dass du älter sein sollst?«
    Er lächelte. Es war auf furchtbare Art das Lächeln eines Kindes. »Im Allgemeinen soll ich jünger sein.«
    Die Übelkeit behielt die Oberhand. Ich legte eine Hand vor meinen Mund und wandte mich ab. Es war mir egal, was Ras Onchi dachte. Ich würde mich niemals Arameri nennen, niemals.
    Er seufzte und kam zu mir, schlang seine Arme von hinten um mich und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Ich verstand sein ständiges Bedürfnis, mich zu berühren, nicht. Es machte mir nichts aus, aber ich fragte mich, mit wem er kuschelte, wenn ich nicht da war. Ich fragte mich, welchen Preis man im Gegenzug von ihm verlangte.
    »Ich war bereits uralt, als deine Art lernte, zu sprechen und Feuer zu benutzen, Yeine. Diese lächerlichen Schikanen machen mir nichts aus.«
    »Darum geht es nicht«, sagte ich. »Du bist immer noch ...« Ich rang nach Worten. Ein Mensch könnte als Beleidigung aufge- fasst werden.
    Er schüttelte den Kopf. »Nur Enefas Tod schmerzt mich, und den hatte sie nicht einem Sterblichen zu verdanken.«
    In dem Moment erschütterte ein bassartiges Dröhnen den ganzen Palast. Ich bekam Gänsehaut, im Badezimmer klapperte kurz etwas, dann war es still.
    »Sonnenuntergang«, sagte Si'eh. Er klang erfreut, richtete sich auf und ging zu einem meiner Fenster. Der Himmel im Westen bestand aus buntschillernden Wolkenschichten. »Mein Vater kehrt zurück.«
    Wo war er gewesen?, fragte ich mich, obwohl mich ein anderer Gedanke ablenkte. Das monströse Ungeheuer meiner Albträume, das Biest, das mich durch die Wände hindurch gejagt hatte, war Si'ehs Vater.
    »Er hat gestern versucht, dich zu töten«, sagte ich.
    Si'eh schüttelte ablehnend den Kopf und klatschte dann in die Hände, so dass ich erschreckt aufsprang. »En. Naiasouwamehikach.«
    Das war Kauderwelsch, mit singendem Tonfall ausgesprochen. Noch während der Klang in der Luft hing, veränderte sich meine Wahrnehmung. Plötzlich wurde mir bewusst, dass jede Silbe als leises Echo von den Wänden des Zimmers widerhallte. Sie trafen sich und gingen ineinander über. Ich bemerkte, wie sich die Luft anfühlte, als die Geräusche hindurchwogten. Uber den Boden hinweg in die Wände. Durch die Wände zu der stützenden Säule, die Elysium trug. Hinunter durch die Säule in die Erde.
    Und das Geräusch wurde weitergetragen, während die Erde sich wie ein verschlafenes Kind herumdrehte, wir im Jahreszeitenzyklus um die Sonne jagten, und die Sterne sich elegant um uns herumdrehten —
    Ich blinzelte und war kurz überrascht, dass ich mich noch im Zimmer befand. Aber dann begriff ich. Die frühen Jahrzehnte in der Geschichte der Schreiber waren voller Todesfälle ihrer Begründer, bis man sich auf die geschriebene Form der Sprache beschränkte. Es erstaunte mich, dass sie es überhaupt versucht hatten. Eine Sprache, deren Bedeutung nicht nur auf Syntax, Aussprache und Klang beruhte, sondern auch auf der Position, die man in dem Moment im Universum einnahm — wie hatte man jemals darauf hoffen können, das zu meistern? Das konnte kein Sterblicher verstehen.
    Si'ehs gelber Ball erschien aus dem Nichts und sprang in seine Hand. »Geh, schau und dann finde mich«, befahl er und warf den Ball fort. Dieser prallte gegen eine Wand und verschwand dann.
    »Ich werde deine Nachricht an Kurue weiterleiten«, sagte er und ging auf die Wand neben meinem Bett zu. »Denk über unser Angebot nach, Yeine, aber tu es bald, ja? Für euresgleichen vergeht die Zeit so schnell. Dekarta wird, eh du dich versiehst, tot sein.«
    Er sprach mit der Wand und sie öffnete sich vor ihm. Dahinter befand sich enger, ungenutzter Raum.

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