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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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sah einen Lakai auf der Türschwelle stehen.
    „Sir“, sagte er und verbeugte sich in Richtung Oliver. „Ein Telegramm für Sie.“
    „Oh, wundervoll“, sagte Oliver laut. „Ich frage mich nur, was Free jetzt wieder angestellt hat.“
    Der Lakai erwiderte darauf nichts, und Oliver nahm verwundert den Umschlag in Empfang.
    Das dünne Papier darin enthielt nur drei Zeilen.
    KEIN ANDERER AN DEN ICH MICH WENDEN KANN
    BIN IN NOTTINGHAM
    MORGEN WERDE ICH
    Das war alles. Das war die gesamte Nachricht. Sie schien seltsam verkürzt, und die letzte Zeile … er zögerte, die Worte als Satz zu bezeichnen, da es trotz der gebotenen Knappheit von Telegrammen die wesentlichen Elemente verständlicher Kommunikation vermissen ließ. Es ergab keinen Sinn. Morgen werde ich … wer war dieser ich?
    Oliver hatte keine Ahnung.
    Esst, trinkt und seid fröhlich , zitierte eine innere Stimme, denn morgen werde ich …
    Er betrachtete das Stück Papier erneut. Er kannte niemanden in Nottingham. Und die einzige Person, die ihm eine Nachricht schicken und um Hilfe bitten würde, die nicht zu seiner Familie …
    Er starrte auf das Blatt und las es erneut.
    Jane Fairfield.
    Er befeuchtete sich die Lippen.
    „Robert“, sagte er, „sag mir, ob ich mich irre, aber im Moment wäre es höchst ungünstig, wenn ich die Stadt verlassen müsste, oder?“
    Es gab Debatten im Parlament, regelmäßig mussten Einzelheiten geklärt werden. Aber der Gedanke, hier zu bleiben … zu einem weiteren Dinner zu gehen mit noch mehr Leuten, die ihm das Gefühl gaben, in seiner Haut fehl am Platze zu sein … schien ihm furchtbar falsch.
    Free hatte ihn nicht gebraucht. Sie hatte nicht einmal darum gebeten, dass er kam. Aber Jane …
    „Oliver“, sagte Robert, „ist alles in Ordnung? Es ist nicht wieder deine Schwester, oder?“
    „Nein“, sagte Oliver fast benommen. „Es ist nicht meine Schwester.“
    Er könnte zu Jane gehen. Wenn es Jane war, die ihm diese Nachricht geschickt hatte.
    Eine dumme Idee. Er versuchte, sie mit Logik zu zerstreuen.
    Die Welt drehte sich nicht um Jane, mahnte er sich. Und alles würde sich ändern, wenn die Wahlrechtsreform verwässert wurde. Was waren die Probleme einer Frau, wenn man sie ins Verhältnis zu denen der ganzen Welt setzte? Er war nicht einmal in sie verliebt. Das hier stammte vielleicht nicht einmal von ihr.
    Aber eine Sekunde lang stellte er sich vor, sie wiederzusehen. Er stellte sich vor, ein paar Tage mit einem bunten Würfel zu verbringen – ein paar wunderbare Tage ohne ein einziges rundes Loch in Sicht.
    „Ich fahre nach Nottingham“, erklärte er.
    Und zum ersten Mal seit vier Monaten hatte er das Gefühl, im Einklang mit sich und der Welt zu sein – als sei er nach einer langen Reise aus einem fremden Land heimgekehrt.
    Robert schaute ihn verwundert an.
    Oliver lachte, beinahe schwindelig vor Erleichterung. „Ich weiß nicht, was ich dort soll“, sagte er. „Oder warum ich dort hin muss oder auch, wie lange es dauern wird. Aber ich gehe.“
    „Du fährst jetzt gleich?“
    Jetzt schien ein guter Zeitpunkt. Ein ausgezeichneter Zeitpunkt. Schließlich würde er, je eher er aufbrach, desto schneller wieder zurückkommen. Und vielleicht würde er, wenn er sie sah, herausfinden können, wie sie es schaffte, nicht abgeschliffen zu werden. Vielleicht brauchte er eine kleine Dosis des Unmöglichen.
    Das war es. Er war nicht in sie verliebt, aber … Himmel, wie sehnte er sich danach, sie zu sehen.
    „Ich gehe“, sagte Oliver, „sobald ich ein paar Sachen gepackt habe.“

    A UF DER Z UGFAHRT wiederholte er sich das wie ein Mantra, sagte es sich im Takt mit dem Klackern der Räder auf den Schienen.
    Er war nicht in sie verliebt, er hielt nur ein Versprechen.
    Er war nicht in sie verliebt, er würde nur eine alte Freundin besuchen.
    Er war nicht in sie verliebt, er würde einfach etwas in Ordnung bringen.
    Der Zug fuhr durch den Nachmittag, und Oliver redete sich ein, dass er jedes Wort davon glaubte.
    Er war nicht in sie verliebt. Er war es nicht.

    A LS ER SICH nach seiner Ankunft beiläufig erkundigte, wurde ihm gesagt, es gäbe heute Abend eine Veranstaltung – die in nur fünfzehn Minuten beginnen würde –, an der alle heiratsfähigen jungen Damen der Gegend teilnehmen würden. „Und auch“, teilte ihm das Zimmermädchen mit, „eine reiche Erbin.“ Sie schaute ihn aus großen Augen an. „Man hört, sie trüge die unerhörtesten Kleider. Ich wünschte, ich könnte sie sehen.“
    Das ging

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