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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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brutale Kraft auf mein Bein ausübte, wenn ein Krampf begann.“ Sie öffnete weitere Knöpfe, während sie sprach. „Wir haben die Anwendung eingestellt, nachdem er mir den Oberschenkelknochen gebrochen hatte.“
    Anjans Blick suchte ihren, und mit dem Verstehen kam die Übelkeit. Als sie ihre Spaziergänge als Entkommen bezeichnet hatte, hatte er gedacht, es sei einfach Auflehnung gewesen. Aber das hier? Das war widerlich.
    Sie sprach so sachlich, dass Lirington einfach im Takt mit ihren Worten nickte, als sei das, was er da hörte, vollkommen normal. Wenn er nicht darauf geachtet hätte, hätte Anjan übersehen, wie ihre Finger zitterten, als sie den nächsten Knopf aufmachte und den Ärmel hochkrempelte und dabei eine weiße vollkommen runde Narbe enthüllte.
    „Ein Arzt hat mich mit einem rotglühenden Eisenstab verbrannt“, sagte sie. „Er dachte, das würde den Krampf unterbrechen. Das hat es nicht.“
    Anjan umklammerte die Lehnen seines Stuhls. Barbarisch, das war es. Es war schlicht barbarisch. Und wie kam es, dass er davon nichts gewusst hatte? All die Wochen, die sie gemeinsam Spaziergänge unternommen hatten, hatte sie kein Wort darüber verloren. Er hatte ihr Vorträge über Familie gehalten, ihr gesagt, sie müsse tun, was ihr Onkel wollte.
    Er spürte, wie sich Wut in ihm regte.
    „Meine Herren“, sagte sie, immer noch ganz ruhig. „Ich hoffe, Sie werden es verstehen, wenn ich darauf verzichte, Ihnen die Brandnarben auf meinem Bein zu zeigen.“
    „Miss Fairfield“, sagte Lirington verwirrt, „das ist alles gut und schön, aber ich habe keine Ahnung, wie wir Ihnen helfen sollen. Es ist schließlich die Pflicht Ihres Vormundes, sich um Ihre medizinische Versorgung zu kümmern.“
    „Das ist weder gut“, hörte Anjan sich scharf einwerfen. „Noch schön.“
    Sie lächelte. „Nun, eine Möglichkeit wäre, einen Antrag auf Ablösung des Vormundes zu stellen. Ich hatte gehofft …“
    „Wir befassen uns mit Angelegenheiten des Seerechts“, erwiderte Lirington. „Das hier hingegen ist eine Sache, die das Kanzleigericht betrifft.“ Er schüttelte den Kopf. „So schlimm Sie zweifellos gelitten haben, ich sehe nicht, wie wir Ihnen behilflich sein können. Mein Sekretär Mr. Walton kann Ihnen eine Liste geben, aber – wie ich zu meinem allergrößten Bedauern eingestehen muss – wir selbst können rein gar nichts für Sie tun. Wenn Sie uns daher bitte entschuldigen wollen …“ Er stand auf. „Batty, da du gerade da bist, denke ich, wir sollten doch noch rasch die Westfeld-Konten durchsprechen. Mein Vater ist in seinem Büro, und …“
    Er drehte sich um, als Emily sich erhob. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft wirkte sie beunruhigt. „Aber ich kenne sie gar nicht“, sagte sie. „Ich kenne all diese anderen Leute nicht. Und die Sache ist dringender, als dass sie vors Kanzleigericht gebracht werden könnte. Ich habe gegen die Behandlung Einspruch erhoben. Im Gegenzug hat mein Onkel … Das heißt, ich habe Korrespondenz gefunden, die er mit …“ Sie schluckte und schaute Anjan in die Augen. „Er will mich für unzurechnungsfähig erklären lassen und wegsperren. Ich würde nie wieder imstande sein, eigene Entscheidungen zu treffen.“
    Anjan schluckte die bittere Galle herunter, die ihm die Kehle hinaufstieg. Die Menschen machten Witze über Bedlam, aber das, was er gehört hatte … Eine Irrenanstalt war für niemanden ein guter Ort und ganz bestimmt nicht für Emily.
    „Er verbietet mir schon, das Haus zu verlassen. Als er herausgefunden hat, dass ich mich heimlich davongeschlichen habe …“ Sie wandte sich an Anjan und nickte. „… hat er eine Dienerin bei mir in meinem Zimmer schlafen lassen. Ich hatte nicht einmal die Gelegenheit, mich zu verabschieden.“
    Lirington schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid.“ Das war eine Entlassung, keine Entschuldigung.
    Anjan bewegte sich nicht. Er stand wie festgewurzelt, alles, was er von ihr wusste, ergab mit einem Mal Sinn.
    Ihr Atem ging schneller. „Meine Schwester wird mir helfen. Sie ist volljährig und hat genug Geld, um Ihnen zu zahlen, was immer Sie brauchen.“
    „Ich wünsche Ihnen wirklich nur das Allerbeste“, erklärte Lirington, „aber …“
    „Sei still, Lirington“, hörte Anjan sich zwischen zusammengebissenen Zähnen herauspressen. „Sie hat überhaupt nie nach deiner Meinung gefragt. Sie ist zu mir gekommen.“
    „Das ist doch lächerlich.“ Lirington runzelte die Stirn, und dann zuckte es um seine

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