Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
ihn fragen, …“
„Später. Was will er sonst noch?“
„Er will …“ Hapford biss sich auf die Lippe. „Er will auch Ihren Einfluss bei dieser Frage. Sie sind ein einflussreicher Mann, daher wird Ihre Unterstützung mehr als nur Ihre Stimme bedeuten.“
„Sehr gut. Jetzt lass uns sehen, ob du deine Lektion gelernt hast. Was möchte Mr. Marshall sonst noch?“ Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und wartete.
Das Schweigen zog sich in die Länge. Hapford musterte Oliver so eindringlich, als wollte er auf den Grund seiner Seele blicken, schüttelte dann aber den Kopf.
„Versetz dich in Marshalls Situation“, riet Bradenton. „Du bist auf einem Bauernhof aufgewachsen, deine Eltern haben jeden Heller zusammengekratzt, um dich nach Eton zu schicken und dann nach Cambridge. Der Geburt nach stehst du mit beiden Beinen fest in einer Welt, aber du hast Verbindungen zu einer ganz anderen. Einer besseren. Sag mir, Hapford, was würdest du wollen?“
Das hier, überlegte Oliver, war die Ausbildung, die Männer erhielten, wenn sie in die richtigen Familien geboren wurden: Der Anfang von tausend Lektionen über die Methoden der Politik, spät am Abend, sodass die Unerfahrenen lernen konnten, wie man es machte. Das hier demonstrierte, wie Institutionen Hunderte von Jahren Bestand hatten, wie Wissen weitergegeben wurde.
Er würde sich das einprägen.
Aber jetzt fühlte er sich wie ein Insekt, das mit einer Nadel auf eine Bestimmungskarte gesteckt worden war.
Hapford trug an einem Finger einen breiten Ring. Den drehte er, während er Oliver anschaute, dabei die Brauen zusammenzog, als versuchte er, sich zu entsinnen, zu welcher Spezies Oliver wohl gehörte.
„Geld?“, riet Hapford.
Sein Onkel nickte.
„Anerkennung?“
Wieder ein Nicken.
„Ähm …“ Der junge Earl lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf.
„Sagen Sie ihm, was Sie wollen, Marshall.“
Oliver entspannte seinen Kiefer. „Alles“, sagte er. Und das war die schlichte Wahrheit.
Er war sich sicher, dass Bradenton später, wenn er gegangen war, Hapford sogar noch mehr verraten würde. Er würde erklären, wie Oliver mehr Einfluss erlangte – ein längerer Weg als der, den Hapford beschritt, bei dem er sich mehr anstrengen musste und keine gezielte Schulung erhielt. Aber für den Moment würde das eine Wort reichen. Oliver wollte alles, und Bradenton würde ihm helfen, es schneller zu bekommen.
„Oh“, sagte Hapford sichtlich verwirrt.
„Wo wir gerade von allem sprechen“, sagte Oliver. „Der Gesetzesentwurf, der …“
„Noch nicht“, unterbrach Bradenton ihn. „Sag mir, Hapford. Was hältst du von Miss Fairfield?“
Hapford blinzelte angesichts des jähen Themenwechsels. „Sie ist etwas merkwürdig, das will ich gerne zugeben, aber Geraldine verbürgt sich für sie …“ Verwirrt brach er ab. „Ich weiß nicht. Ich rede nicht gerne schlecht über andere Leute.“
„Das“, bemerkte Bradenton, „ist eine gute Sitte, die du dir schnell abgewöhnen musst. Sag mir, was macht Miss Fairfield so seltsam?“
Hapford stand auf und ging zum Fenster. Er starrte eine Weile hinaus. Schließlich drehte er sich um. „Sie … sie scheint nicht zu wissen, was von ihr erwartet wird. Wo ihr Platz ist.“
Bradenton war gewöhnlich gutmütig. Aber jetzt sah Oliver flüchtig etwas in seinen Augen – ein leichtes Zusammenpressen der Lippen – und er erinnerte sich, dass bei all dem Unsinn, den Miss Fairfield am heutigen Abend von sich gegeben hatte, sie auch Bradenton gesagt hatte, dass niemand auf ihn hören würde, wenn er kein Marquis wäre.
„Ja“, sagte Bradenton knapp. „Sie kennt ihren Platz nicht. Und sie ist zu dumm, als dass man es ihr auf normale Weise beibringen könnte. Was sollen wir deswegen unternehmen, Hapford?“
Hapford runzelte die Stirn. „Ich bin mir nicht sicher, warum wir irgendetwas unternehmen müssen. Sie schadet niemandem, und Whitting ist so belustigt von ihr, dass es eine Schande wäre, ihn dessen zu berauben.“
„Da irrst du.“ Bradentons Stimme war leise. „Es schadet allen, wenn Leute ihren Platz nicht kennen. Deswegen sollte etwas unternommen werden.“
Hapford dachte darüber nach. „Selbst wenn das stimmt …“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Geraldine lässt nicht zu, dass jemand Schlechtes über sie sagt. Ich will sie nicht aufregen.“
„Ja, nun“, entgegnete Bradenton knapp. „In ein paar Jahren werden wir ja sehen, ob du immer noch so darauf bedacht bist zu tun, was
Weitere Kostenlose Bücher