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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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hinterlassen hatte. Sie war fünfzehn, als sie endlich begriffen hatte, warum der Mann, den sie für ihren Vater gehalten hatte, seine Frau und seine Kinder verlassen hatte – die beiden so verschieden aussehenden Töchter.
    Sie war der Bastard, die faule Frucht dieser unseligen Vereinigung. Sie war diejenige, die Titus Fairfield missbilligte. Sie hatte nie irgendwohin gehört – nicht hierher und auch nicht in das Haus ihres Onkels. Nirgendwohin. Diese einhunderttausend Pfund stempelten sie ab.
    „Ich weiß“, fuhr er fort. „Ich weiß, wie es ist, nachts wach zu liegen und kaum Luft zu bekommen, weil das Gefühl der Einsamkeit und Isolation so schwer auf einem lastet. Ich weiß, wie es ist, laut schreien zu wollen, bis alles in Stücke bricht. Ich weiß, wie es ist, immer wieder gesagt zu bekommen, dass man nicht dazugehört.“
    Es war zu viel, viel zu viel, die Worte, die sie bislang nur vor sich hin geflüstert hatte, in der wirklichen Welt zu hören. „Warum sagen Sie solche Sachen?“
    Er zuckte die Achseln. „Es ist ganz einfach, Miss Fairfield. Weil ich denke, dass jeder die Chance verdient, frei zu atmen.“
    Atmen? In seiner Gegenwart hatte sie keine Chance darauf. Das Licht der alten Lampe spiegelte sich in seinen Brillengläsern, verbarg seine Augen, sodass es nahezu unmöglich war, seine Absicht zu erkennen. Sie konnte seinen Blick mehr spüren als sehen – scharf und durchdringend, wie er glatt durch das schrille Muster ihres Seidenkleides drang. Nein. Er machte ihr das Atmen nicht leichter.
    „Ich habe keine Schwierigkeiten, Luft zu bekommen“, erklärte sie ohne Rücksicht auf die Wahrheit.
    „Ach?“ Er hob eine Braue und sah sie nachdenklich an. „Das ist aber nicht das, was ich sehe. Ich sehe Schultern, die sich nicht entspannen, Muskeln, die nicht zu zucken wagen, Lippen, die sich nicht trauen, etwas anderes zu tun, als zu lächeln. Sie haben die Wahl zwischen unzähligen Möglichkeiten, Miss Fairfield, aber Sie wissen so gut wie ich, dass die falsche Ihren sorgfältig gehegten schrecklichen Ruf vernichten kann.“
    Wieder musste sie schlucken.
    „Lügen Sie mich bitte nicht an“, sagte er. „Was sagen Sie sich mitten in der Nacht, wenn niemand da ist, sie zu belauschen? Schließen Sie die Augen und blicken dem Morgen entgegen, freuen sich, den neuen Tag zu begrüßen, oder scheuen Sie davor zurück und streichen jeden überstandenen Tag in Ihrem Kalender durch?“
    Er machte ein paar Schritte in Richtung Tür.
    „Sie zählen“, fuhr er leise fort. „Das ist es, was es bedeutet, nicht dazuzugehören. Es heißt, die Tage zu zählen. Es wäre nicht auszuhalten, Miss Fairfield, wenn Sie nicht wüssten, dass es irgendwann vorbei ist. Wie viele Tage noch, Miss Fairfield, bis Sie diese Illusion fallen lassen können? Wie viele Tage, bis Sie aufhören können, Theater zu spielen?“
    „Vierhundertfünfundsiebzig.“ Die Antwort entschlüpfte ihr gegen ihren Willen. Sie hob die Finger an die Lippen, erschreckt, aber er sah nicht wirklich zufrieden aus, ihr das Geständnis entlockt zu haben.
    Er schüttelte stattdessen den Kopf. „Sie tragen vierhundertfünfundsiebzig solcher Tage auf ihren Schultern. Miss Fairfield, sagen Sie mir nicht, Sie könnten frei atmen.“
    „Ich habe keine Schwierigkeiten …“ Die Worte klangen schwach. Nicht überzeugend.
    „Das weiß ich“, sagte er. „Wenn ich nicht hier wäre, hätten Sie weitergemacht. Das ist es ja, was dieses Zählen bedeutet – dass Sie durchhalten, egal wie niederschmetternd hoch die Zahl ist. Ich weiß das, weil ich auch gezählt habe. Ich habe in Eton gezählt und während meiner Jahre als Student in Cambridge. Ich zähle mich auch durch diesen besonderen Abend hier. Ich weiß, was es heißt, Tage zu zählen, Miss Fairfield.“ Er nahm die Brille ab und rieb die Gläser an seinem Hemd. „Ich weiß es sehr gut.“ Er schaute auf.
    Sie hatte gedacht, dass er ohne die Brille nur verschwommen sehen, dass er sie nicht klar erkennen könnte. Aber was auch immer sein Sehfehler war, seine Augen fanden ihre scharf wie immer, blau wie der Himmel.
    „Sie sind eine intelligente Frau“, bemerkte er. „Wenn Sie das hier vorspielen, sagt jede Logik, dass was auch immer Sie zu vermeiden suchen, furchtbar sein muss.“
    Sie wollte sprechen, etwas sagen, irgendetwas. Aber alles, was herauskam, war ein erstickter Laut tief in ihrer Kehle – etwas Heiseres, Schmerzliches, etwas, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass es in ihr

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