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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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die Prinzipien der Evolution nicht menschlichem Verhalten zuschreiben. Entscheidungen des Individuums sind kein Produkt der Evolution.“
    Und doch war der Vergleich nur zu treffend. Das war genau das, was Jane bezweckte, selbst wenn sie es noch nie von dieser Seite betrachtet hatte. Sie wollte, dass man sie bemerkte – und dass man sie für giftig hielt.
    „Nun dann, Miss Fairfield. Da haben Sie es aus Mr. Malheurs Mund vernommen.“ Er deutete auf seinen Freund. „Wir können nichts daraus schließen.“
    „Mr. Cromwell …“
    Mr. Marshall hielt eine Hand hoch, unterbrach sie. Dieser komische Schauer durchlief sie erneut, prickelte am Ende ihres Rückgrats.
    „Ich heiße Mr. Marshall“, sagte er leise. „Aber ich denke, Sie sind klug genug, das zu wissen.“
    Himmel, sie steckte in ernsten Schwierigkeiten. Sie sind intelligent genug, sich zwei Silben zu merken , war jetzt nicht unbedingt ein Kompliment, aber sie hatte seit Monaten kein Lob vernommen. Es vermittelte ihr ein Gefühl von Wärme und restloser Verwirrung.
    „Ich … ich bin nicht sicher …“ Sie holte tief Luft, versuchte, die Überbleibsel ihrer Scharade zusammenzuraffen, um sich darin einzuhüllen. „Irre ich mich etwa? Es tut mir so leid, Mr. Crom… ich meine, Mr. Marshwell.“
    „Ich werde Sie nicht belügen“, erklärte Mr. Marshall. „Und dürfte ich vorschlagen …“
    Sie schaute ihn an, schaute auf in diese Augen wie ein Wintersturm. Sie blickte in ein Gesicht, das gewöhnlich hätte sein müssen, und spürte, wie ihr ganzer Körper erstarrte. Ihr Herz hörte auf zu schlagen. Ihre Lungen verkrampften sich. Selbst ihr Haar fühlte sich wie eine Bürde an. Es gab nichts als ihn und seine närrischen Komplimente, die gar keine waren.
    „Dürfte ich vorschlagen“, sagte er schließlich, „dass Sie mich im Gegenzug ebenfalls nicht belügen?“
    „Ich …“
    Er hielt einen Finger hoch. „Denken Sie darüber nach“, verlangte er. „Denken Sie sorgfältig nach, Miss Fairfield. Und sobald Sie mit Ihrem Denken fertig sind … Nun, dann könnten wir beide eine überaus produktive Unterhaltung führen.“
    Sie schluckte. „Über Mode? Sie scheinen nicht zu den Männern zu gehören, die sich dafür interessieren.“
    Er lächelte, nur ein leichtes Verziehen der Mundwinkel. „Über vieles. Und ja, Miss Fairfield, über Mode. Über die Farben, die Sie tragen, und was sie verbergen.“
    Er berührte die Krempe seines Hutes und winkte seinem Freund.
    „Guten Tag“, sagte er freundlich, als hätte er keine schreckliche Drohung ausgesprochen. Dann war er fort.
    „Gütiger Himmel“, hörte sie Mr. Malheur sagen, während sie sich entfernten. „Was hatte das denn zu bedeuten?“
    Falls Mr. Marshall darauf antwortete, so hörte sie es nicht. Seine Worte verloren sich in dem Klappern der Pferdhufe eines vorüberfahrenden Omnibusses.

Kapitel 4

    D IE DRITTE B EGEGNUNG zwischen Jane und Mr. Marshall war sogar noch schlimmer. Beim Dinner der Johnsons hatte sie kaum Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, aber sie konnte während der gesamten Mahlzeit seinen Blick spüren. Er saß nicht weit von ihr entfernt am Tisch, so nah, dass sie sich mit ihm unterhalten konnte. Es war egal, was sie zu ihm sagte. Es war auch egal, wie sie es sagte. Er warf ihr keinen einzigen frostigen Blick zu, der darauf hingedeutet hätte, dass sie ihn beleidigt hatte.
    Stattdessen wirkte er irgendwie … amüsiert.
    Sie fühlte sich den ganzen Abend lang irgendwie verkehrt. Als ob ihr Unterhemd zu eng wäre, als passte sie nicht länger in die Rüstung, die ihre Kleider ja im Grunde genommen waren.
    Als die Gentlemen sich wieder in der Bibliothek zu den Damen gesellten, beschlich sie ein Gefühl der Unsicherheit, und sie war sich seiner Anwesenheit fast körperlich bewusst. Ihre Antworten klangen gezwungen, nicht flüssig. Sie fühlte sich – wie hatte er sie genannt? – wie ein Antichamäleon, das grell in der Mitte des Zimmers leuchtete.
    Nicht heiraten, ich bin giftig. Sie war giftig. Sie war ein Schandfleck. Ihr Kleid heute Abend war ein Brachland aus roter und schwarzer Seide, bar jeglichen guten Geschmacks und mit leise klimpernden Perlen besetzt. Sie liebte es fast so sehr wie das polierte Silberband an ihrem Arm. Sie hatte die Kunst perfektioniert, ihre Hand stets so zu halten, hin und her zu bewegen, dass es das Licht reflektierte – und immer irgendeinen Herrn blendete. Aber inzwischen hatte sie Mr. Marshall mindestens drei Mal getroffen, ohne dass er sich

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