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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Sie schüttelte den Kopf und warf hilflos die Arme in die Luft. „Ich weiß nicht, was Sie wollen. Ich weiß, was alle anderen wollen, aber Sie … bei Ihnen weiß ich das nicht.“
    Oliver dachte an Bradenton, der ihm seine Stimme bei dem Gesetz zur Reform des Wahlrechts vor die Nase hielt – wie einen verlockenden Köder, was es natürlich auch war. Er dachte darüber nach, was das für seine Chancen bedeuten würde, ein Amt zu erringen. Er dachte an den Marquis, der glaubte, dass er Oliver kaufen konnte.
    Niemand schubste Oliver herum. Niemand.
    „Ich bin mit Bradenton zur Schule gegangen“, erklärte Oliver schließlich. „Damals war er ein Idiot, bis …“ Er hielt inne. „Jetzt kann er es besser kaschieren, das ist alles.“
    Sie sagte nichts.
    „Ich will, dass er zahlt“, sagte Oliver. „Für jede seiner dreckigen Unterstellungen.“
    Er wandte sich zu ihr. Sie beobachtete ihn aus großen Augen.
    „So einfach ist das“, fuhr er fort. „Sie ärgern ihn. Gut für Sie. Ich will nicht, dass Sie sich allein fühlen.“
    Ihr stockte der Atem.
    Himmel, es war grausam gewesen, das zu sagen. Die Aussicht auf Freundschaft war für eine Frau, die glaubte, sie hätte keine andere Wahl, als alle zu vertreiben, eine unwiderstehliche Versuchung. Er hatte keine Ahnung, was sie zu bewältigen hatte, aber was immer es auch war, er würde wetten, dass sie sich einsam fühlte.
    Zudem war da noch die Tatsache, dass er nicht wusste, was er eigentlich dachte. Vielleicht meinte er ja wirklich jedes Wort von dem, was er sagte. Aber wenn er Bradentons schmutziges Angebot annehmen wollte, hätte er es genauso angefangen – indem er erst einmal ihr Vertrauen erwarb.
    Auch wenn er die Idee, zu tun, was Bradenton verlangte, weit von sich wies, besaß es doch eine grausame Symmetrie, den Marquis zu benutzen. Ihn zu narren, dass er dachte, Oliver sei willfährig, dass er bereit sei zu tun, was immer er von ihm verlangte. Es würde etwas bedeuten, wenn er mit Bradentons Unterstützung vorankommen würde. Seine Macht übertreffen und es ihm Jahre später heimzahlen könnte.
    Er wollte das so verzweifelt, dass er es fast schmecken konnte.
    Sie atmete bebend aus. „Sagen Sie das noch einmal“, bat sie.
    Es war keine Lüge, nicht wirklich. Er würde nicht tun, was Bradenton verlangte, es bestand keine Notwendigkeit, ihr davon zu erzählen.
    Und wenn du dich doch entscheidest, es zu tun, ist es besser, es nicht zu erwähnen. Du hältst dir einfach alle Möglichkeiten offen.
    Oliver verdrängte die leise Stimme.
    „Sie sind nicht allein“, sagte Oliver.
    Es waren fünfundneunzig Prozent der Wahrheit.

    O LIVER VERLIEß DIE G ESELLSCHAFT ein paar Minuten nach Mitternacht. Er war fast ein wenig überrascht, als Bradenton ihm folgte, mit ihm vor das Haus trat. Statt ihn zu ignorieren, rief der Marquis nach seiner Kutsche und winkte Oliver heran. Oliver kam zögernd und stellte sich neben ihn.
    „Sie sollten sich mit ihnen treffen“, erklärte Oliver leise. „Den Leuten, die am meisten von der Ausweitung des Wahlrechts betroffen sind. Dann werden Sie selbst sehen …“
    Bradenton lachte. „Seien Sie nicht albern, Marshall. Ich treffe sie jeden Tag. Sie stellen meine Schuhe her und messen mir meine Hosen an. Ich kann nirgendwo hingehen, ohne über einen Arbeiter zu stolpern. Mir noch einen zu zeigen, wird Sie bei Ihrem Vorhaben nicht weiterbringen.“
    Oliver betrachtete die Umrisse der Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Im Dunkeln konnte er nicht mehr erkennen als die Silhouette der spitzen Dächer, dunkle Stellen in der Fassade, wo sich unbeleuchtete Fenster befanden, und Fenster, aus denen Licht fiel. Die Laute von Bradentons Kutsche – Hufgeklapper und das Knarzen von Leder – drang aus den Stallungen hinter dem Haus zu ihnen.
    „Ich sagte, sie treffen“, erwiderte Oliver. „Nicht ihre Dienste in Anspruch nehmen. Sich mit ihnen treffen. Reden Sie mit ihnen. Sehen Sie, was für Männer es sind. Meine Schwägerin und ich organisieren eine Reihe von Dinnern, wenn ich nach London zurückkehre …“
    „Sie meinen, ich sollte sie als gesellschaftlich gleichberechtigt betrachten? Ich leiste genug Wohltätigkeitsarbeit, Marshall.“ Er lächelte. „Schließlich stehe ich hier und spreche mit Ihnen.“
    Wenn das ein Beispiel für Ihre Wohltätigkeit ist, sind Sie gewiss beliebt auf Ihrem Landsitz.
    Aber das sagte er nicht. Er behielt alle Einwände für sich, vermerkte sie im Stillen auf der Rechnung, die noch

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