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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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in irgendeiner Weise beschwert hätte.
    Himmel, was sollte sie nur tun?
    Mr. Marshall schlug vor, dass Musik doch eine angenehme Zerstreuung wäre, und sie atmete erleichtert auf. Alle würden auf die Vortragenden schauen, und sie würden sie niemals bitten, sich zu beteiligen. Sie würde nicht an sein müssen. Furchtbar zu sein war wirklich anstrengend. Die Gesellschaft begab sich in den Musiksalon.
    Sie blieb auf ihrem Platz, wartete mit angehaltenem Atem und hoffte, dass niemand bemerken würde, dass sie nicht aufgestanden war.
    Niemandem fiel es auf. Alle verließen den Raum, ohne auch nur in ihre Richtung zu schauen. Natürlich nicht. Sie wollten sie ja gar nicht sehen.
    Als sich hinter dem letzten Gast die Tür schloss, ließ sie sich erleichtert gegen die Rückenlehne sinken. Endlich allein. Allein, ohne irgendetwas vorspielen zu müssen. Sie konnte wieder atmen. Sie konnte aufhören zu denken, jedes Lächeln zu analysieren und musste nicht länger darüber nachdenken, warum Mr. Oliver Marshall ständig in ihre Richtung schaute.
    Sie legte sich die Fingerspitzen an die Schläfen, wünschte sich, die Anspannung würde weichen, und schloss erleichtert die Augen.
    Stille. Beseligende, segensreiche Stille.
    „Gott sei Dank!“, sagte sie laut.
    „Ich finde, Sie sollten eher mir danken.“
    Sie öffnete abrupt die Augen und sprang auf. Sie trat versehentlich auf ihren Rocksaum, die Perlen klackerten aufgeregt, und sie wäre beinahe hingefallen. Hastig drehte sie sich um und entdeckte Mr. Marshall. Er saß noch immer in seinem Sessel auf der anderen Seite des Raumes. Er beobachtete sie mit leiser Belustigung und trommelte mit den Fingern auf die Armlehne.
    Oje. War er nicht mit den anderen gegangen? Was hatte sie eben laut gesagt?
    „Mr. Cromwell“, entfuhr es ihr. „Ich dachte, Sie seien bei den anderen!“
    Seine Finger unterbrachen ihr Getrommel. Seine blauen Augen richteten sich auf sie. Das schwache Licht verwandelte seine Brillengläser in einen Schutzschild, in dem sich ihr Bild spiegelte.
    „Es besteht keine Notwendigkeit, sich zu verstellen.“ Er sprach, als sei er ein Hypnotiseur, der versuchte, sie in Trance zu versetzen. „Es besteht kein Grund zur Sorge.“
    An ihm war absolut nichts Gewöhnliches, zum Teufel mit dem ersten Eindruck. Hinter diesen Brillengläsern lauerte etwas Wildes, Unbezähmbares. Er hatte sich nicht von seinem Stuhl bewegt, aber dennoch spürte sie ein Prickeln in ihren Handflächen. Ein Stocken des Atems.
    Seine Augen waren zu scharf, seine Miene viel zu gelassen. Er stellte sein Glas auf dem Beistelltischchen neben sich ab und lehnte sich zurück, um sie zu betrachten, als sei er königlichen Geblüts und sie eine Diebin, die beim Durchwühlen der Speisekammer ertappt worden war.
    „Sorge?“, wiederholte sie mit ihrer besten atemlosen Stimme. „Warum sollte ich mich sorgen? Sie sind ein Gentleman und ich eine Lady.“ Sie machte einen Schritt in Richtung der Tür. „Ich gehe lieber doch zu den anderen.“
    Er winkte ab. „Sparen Sie sich die Mühe, Miss Fairfield. Ich habe genug Schwestern, um dieses vermeintlich unschuldige Verhalten aus einer halben Meile Entfernung erkennen zu können. Sie täuschen mich nicht.“
    Sie blinzelte verwirrt. „Warum sollte mich nicht unschuldig verhalten? Ich bin mir keiner Schuld bewusst.“
    Mr. Marshall schnalzte mit der Zunge und erhob sich. Es musste doch von Rechts wegen irgendeine Regel geben, dass Männer, die eine Brille trugen, nicht größer als sechs Fuß sein dürften. Er sollte ein jovialer Schreiber mit einem runden Gesicht sein. Er sollte überall sonst sein statt hier.
    Er schüttelte den Kopf und machte einen Schritt auf sie zu. „Sie verschwenden Ihren Atem. Ich kenne Ihre Geheimnisse.“
    „Ich habe keine Geheimnisse. Ich …“
    „Lassen Sie es, Miss Fairfield. Sie sind entweder sehr, sehr dumm oder außerordentlich klug. Und ich vermute, dass eher Letzteres zutrifft.“
    Sie starrte ihn an. „Mr. Cromwell, das wird hier gerade sehr unschicklich.“
    Er zuckte die Achseln und machte einen weiteren Schritt auf sie zu. „Wie praktisch“, erklärte er, „dass Sie Unschicklichkeit wahrnehmen, wenn es Ihren Zwecken dient.“
    Sie schnappte nach Luft, als er seine Hand ausstreckte.
    „Und wenn dem nicht so ist …“ Seine Finger waren nur wenige Zoll vor ihrem Gesicht. Er hätte die Hand ausstrecken und sie berühren können.
    Doch das tat er nicht. Er schnippte mit den Fingern, und sie zuckte

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