Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
meinen.“
„Bitte lesen Sie weiter.“
„‚Aber eines Tages, bei einer dieser seltenen Gelegenheiten, zu denen ihr Ehemann zu Hause weilte, wurde er von einem herunterfallenden Amboss am Kopf getroffen. Er war sofort tot.‘“ Mr. Marshall blinzelte. Er blinzelte wieder und legte seine Finger auf den Text, den er gerade gelesen hatte. „Moment. Das verstehe ich nicht. Wie hat ein Amboss ihren Ehemann treffen können, solange er im Haus war? Wo kam der her? War es sein Steckenpferd, Ambosse an die Decke zu hängen?“
„Sie werden weiterlesen müssen, um das herauszufinden“, erklärte Jane. „Es ist nicht meine Art, Leuten zu sagen, was in einem Buch geschieht. Nur Unmenschen verraten, was als Nächstes passiert.“
Er schüttelte den Kopf. „Nun gut. ‚An diesem Tag saß Mrs. Larriger in ihrem Salon. Aber irgendwie kamen ihr die Wände dicker vor. Die Luft wirkte drückender. Beinahe sechzig Jahre lang hatte sie nicht die leiseste Neugier auf die Welt vor ihrer Tür verspürt. Jetzt hingegen schien die Luft jenseits ihrer Mauern sie zu rufen. Geh weg von hier , wisperte sie. Geh weg, geh, bevor sie eine polizeiliche Untersuchung ansetzen. ‘“ Mr. Marshall lachte. „Ah, ich glaube, ich beginne Mrs. Larriger und die Sache mit dem Amboss zu verstehen.
‚Sie holte tief Luft. Sie packte eine Reisetasche. Und dann stellte Mrs. Larriger mit größter Anstrengung, mit der Anstrengung einer Frau, die alles hinter sich ließ, was sie kannte, einen Fuß vor die Tür in den warmen Maisonnenschein. Und da sie nicht in Flammen aufging, marschierte sie zum Hafen und kaufte sich eine Passage auf einem Schiff, das unmittelbar darauf auslaufen sollte.‘“ Er schloss das Buch. „Gut, ich glaube, ich verstehe.“
„Es passt sicher hervorragend zu ‚Praktische Anleitung zu Platos wichtigsten Schriften‘.“
Er runzelte die Stirn. „Was für ein Buch ist das?“
Sie deutete auf das in seiner Hand. „Ich kann nicht den ganzen Titel lesen.“
„Ach so.“ Er grinste und hielt den Band so, dass sie ihn sehen konnte.
„Praktische Anleitung zu phantastischen Streichen“, stand dort.
„Alles Nostalgie, fürchte ich. Mir fehlen die Zeiten, zu denen ich auf Albernheiten mit einem kleinen Streich reagieren konnte, das ist alles.“ Er seufzte. „Da war mal ein Abend, als wir noch am Trinity waren … Es gab einen jungen Mann, der einen neuen Phaeton besaß, von dem er die ganze Zeit redete. Also haben mein Bruder, Sebastian und ich den Wagen auseinandergenommen und ihn dann komplett in seinem Zimmer wieder aufgebaut. Nur die Räder konnten wir nicht anbringen, wissen Sie, aber alles andere … Er war so sturzbetrunken, als er heimkam, dass ihm gar nichts aufgefallen ist, aber Sie hätten ihn mal am nächsten Morgen hören müssen.“
Er war überhaupt nicht so, wie sie sich ihn vorgestellt hatte, dieser Mann, der behauptete, er würde einmal Premierminister sein. Er hatte ein Funkeln in den Augen, und er schien geradezu Übermut zu verströmen. Verstellte er sich in der Politik, oder verstellte er sich jetzt?
„Und ich dachte, Sie seien gänzlich respektabel.“
Er seufzte, und das Funkeln in seinen Augen wurde schwächer. „Leider. Das bin ich.“ Er sagte das fast widerstrebend. „Übermut entschuldigt man bei der Jugend stets, aber ich bin weit über das Alter hinaus, in dem man über einen guten Streich einfach hinwegsehen kann. Dennoch, man darf schließlich träumen.“
Es fühlte sich wie ein Traum an – so neben ihm zu stehen, über Bücher und Streiche zu sprechen.
„Sebastian“, sagte sie. „Das muss Mr. Malheur sein, nicht wahr?“
„Er ist der Einzige von uns, der die respektable Phase ausgelassen hat. Er hat nie aufgehört, ein Unruhestifter zu sein.“ Ein abwesender Ausdruck trat in seine Augen. „In gewisser Weise beneide ich ihn. In anderer Hinsicht eher nicht.“
„Von uns?“
„Tut mir leid, ich hatte es ganz vergessen. Sie kennen uns nicht. Mein Bruder, Ro… der Herzog von Clermont, und Sebastian Malheur. Ich. Sie haben uns die linken Brüder genannt, weil wir immer zusammen waren und alle drei Linkshänder sind.“
„Und? Sind Sie link?“, fragte sie.
Etwas blitzte in seinen Augen auf, eine Andeutung von Unbehagen. „Das zu entscheiden überlasse ich Ihnen.“
Ihre Nervosität war zu einem angenehmen Summen verblasst. Sie lächelte ihn vielsagend an.
„Verraten Sie mir, Miss Fairfield“, erklärte er mit gedämpfter Stimme. „Was denken Sie? Weil ich den
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