Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
Vom Netzwerk:
Eindruck gewinne, dass Sie gut über linkes Verhalten befinden können.“
    Sie konnte die Anziehung spüren. Hiervon hatte sie geträumt – einen Freund zu haben, jemanden, mit dem sie lachen konnte. Jemanden, der sie anschaute und dann noch einmal hinschaute, der hinschaute wegen des Vergnügens des Schauens und nicht, um sie wegen ihres Betragens oder ihrer Kleidung zu kritisieren. Wenn sie es wagen würde, könnte sie von mehr träumen.
    Aber hinter ihnen läutete die Glocke, und Jane blickte hin, um zu sehen, wer den Laden betreten hatte.
    Ihr stockte der Atem. Es war Susan, das Hausmädchen ihres Onkels, in Braun und Weiß gekleidet. Sie entdeckte Mrs. Blickstall, die immer noch gelangweilt vorn im Laden auf dem Stuhl saß. Mrs. Blickstall setzte sich gerader hin und deutete zu Jane nach hinten.
    Jane machte einen Schritt vor, als Susan sie auch schon erreichte.
    „Miss Fairfield, bitte.“ Die Stimme des Mädchens war atemlos, als sei sie die ganze Strecke vom Haus hierher gelaufen.
    Was sie vermutlich getan hatte.
    Susan schenkte Mr. Marshall nur einen flüchtigen Blick. „Vielleicht könnte ich Sie kurz draußen sprechen?“
    „Du kannst offen sprechen“, sagte Jane. „Mr. Marshall ist ein Freund.“
    Er widersprach der Bezeichnung nicht, und ihr Herz klopfte heftiger.
    „Es ist ein neuer Arzt da“, berichtete Susan. „Ich bin so schnell gekommen, wie ich nur konnte, aber er war gerade auf dem Weg zu Miss Emily, als ich los bin, und das war vor zwanzig Minuten.“
    „Oh nein! Was für eine Quacksalberei praktiziert dieser Kurpfuscher?“
    „Galvanik, Miss. Das hat er wenigstens gesagt.“
    „Was, zum Teufel, ist Galvanik?“
    „Elektrischer Strom“, half Mr. Marshall aus. „Gewöhnlich in eine Art elektrische Batterie geladen. Man verwendet diese Technik, um Schocks zu versetzen, die …“ Er brach ab.
    Jane spürte, wie ihr Gesicht ganz weiß wurde. Sie konnte ihn nicht ansehen. Sie konnte nicht an diese Traumwelt denken, die sie nun verlassen musste, diesen Ort, wo man über Bücher redete und über Streiche und erwog, was es hieß, respektabel zu sein. Das war nicht die Welt, in der sie lebte.
    Sie holte mit zitternden Händen eine schwere Münze aus der Tasche und drückte sie Susan in die Hand. „Danke“, sagte sie.
    Die Hausangestellten wussten es sicher zu schätzen, dass Jane und ihr Onkel auf Kriegsfuß standen. Es eröffnete ihnen zahllose Möglichkeiten, ihr Einkommen aufzubessern.
    „Miss Fairfield“, sagte Mr. Marshall vorsichtig, „darf ich Sie nach Hause begleiten?“
    In Gedanken hatte sie sich ausgemalt, ihm alles zu gestehen. Sie hatte sich ausgemalt, wie er ihr sagte, sie solle sich keine Sorgen machen, dass alles gut werden würde. Aber das konnte er nicht. Schließlich hatte er erklärt, er werde sie nicht anlügen.
    Es würde nicht alles gut werden. Das Beste, worauf sie hoffen durfte, war ein unsicherer Waffenstillstand – einer, mit so viel Geldscheinen gekauft, wie sie tragen konnte.
    Ihr Verstand war wie betäubt. Es gab in ihrem Leben keinen Platz für Freundschaft.
    „Nein.“ Ihre Stimme klang gepresst. „Nicht. Sie sind respektabel, wissen Sie, und Sie sollten versuchen, das auch zu bleiben. Ich muss jetzt einen Arzt bestechen gehen.“

Kapitel 6

    Z U DEM Z EITPUNKT , als sie endlich zu Hause ankam, war Jane völlig außer Atem. Ihr Burstkorb hob und senkte sich heftig, aber nutzlos gegen ihr Korsett, und vor ihren Augen tanzten schwarze Punkte.
    Die Haushälterin begrüßte sie am Hauseingang, blickte einmal verstohlen zur Tür heraus. Aber sie stellte keine impertinenten Fragen – Fragen wie „Wo ist die Kutsche?“ oder „Warum keuchen Sie so?“
    Jane beantwortete sie trotzdem. „Ich habe die Kutsche stehen lassen“, erklärte sie. „Ich dachte, ein flotter Spaziergang täte mir gut.“ In Wahrheit hätte sie mit der Kutsche wegen des Marktes heute eine gute Dreiviertelstunde gebraucht. Zu Fuß waren es nur fünfzehn Minuten gewesen.
    „Natürlich“, sagte die Haushälterin, als erklärte das hinlänglich, warum Jane auf der Türschwelle stand und nach Luft schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    Janes Haare lösten sich aus ihrer Frisur. Die Locken über ihren Ohren standen ab, das Haarteil, das in ihrem Nacken befestigt gewesen war, hing schief. Haarnadeln stachen sie in die Kopfhaut. Sie fasste mit einer Hand danach, versuchte den Schaden zu beheben, so gut es eben ging, gab aber gleich wieder auf, als sie mit ihren Fingern das Chaos

Weitere Kostenlose Bücher