Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
ich denn in meinen Briefen falsch gemacht?“
„Das weiß ich nicht.“ Oliver zuckte die Achseln. „Aber Robert sagt, mit ihnen stimmt etwas nicht. Dass du nicht du selbst seist. Und du weißt doch, wie er ist. Er hat immer recht bei solchen Sachen. Er wird nie allein herausfinden, was es ist oder wie man es in Ordnung bringt – aber er weiß, wenn etwas nicht stimmt. Und er sagt, du klängest nicht glücklich.“
Sebastian strahlte ihn an. Es klang nach einer albernen Behauptung, wenn man ihn so sah, die Morgensonne auf seinem Gesicht.
„Nicht glücklich?“, wiederholte Sebastian. „Warum sollte ich nicht glücklich sein? Ich habe Erfolg, von dem die meisten Männer nur träumen. Ich habe ganz England – oder genauer sogar die ganze Welt – aufgemischt. Ich habe größtmögliche Unruhe gestiftet, und am besten daran ist, dass ich stichhaltig und beweisbar recht habe. Also, Oliver, warum sollte ich unter diesen Umständen nicht glücklich sein?“
Oliver schaute seinen Cousin an und zuckte dann die Achseln. „Ich weiß es nicht“, antwortete er. „Aber in der ganzen langen Rede eben war das Einzige, was du nicht gesagt hast, dass du glücklich bist.“
Sebastian schaute ihn an und schüttelte dann ironisch den Kopf. „Minnie“, sagte er, als sei das eine Erklärung. „Robert hat sie geheiratet, und jetzt nehmt ihr jedes Wort unter die Lupe, bis ihr alle nur denkbaren Bedeutungen herausgeholt habt. Es ist nur gut, dass sie nicht hier ist, denn wenn sie das wäre, würde sie sehen, was eben nicht passiert. Du bist ein Amateur.“
„Was passiert denn nicht?“, wollte Oliver wissen.
Sebastian ignorierte diese Erwiderung. „Lass uns nur mal so zum Spaß annehmen, dass du recht hast. Ich bin zutiefst verletzt und unglücklich bis in die Zehenspitzen, will aber nicht erklären, warum.“ Er lächelte, während er das sagte, wie um zu unterstreichen, wie albern so eine Vorstellung war. „Wären wir nicht alle viel besser dran, wenn wir annähmen, dass ich einen Grund dafür habe, und das respektierten?“
„Vielleicht“, sagte Oliver langsam. „Aber … ich spüre, dass du in letzter Zeit nicht du selbst bist. Da ist etwas anders an dir.“
„Wieder angenommen du hättest recht“, gab Sebastian zu bedenken, „so wirst du nicht erreichen, dass ich mich besser fühle, indem du mir erklärst, wie elend ich zu sein scheine.“
„Na gut“, lenkte Oliver ein. „Wie du willst. Das hier ist wieder genau wie früher.“ Sie gingen auf dem Weg weiter, kamen an einem Garten vorbei, in dem eine Bauerntochter Gänse fütterte, und an einem Mann, der ein Joch mit zwei Wassereimern trug.
„Was meintest du vorhin“, erkundigte sich Oliver schließlich, „damit, was nicht passiert?“
„So vieles“, erwiderte Sebastian leichthin. „Ich fliege nicht. Du verwandelst dich nicht in Gold, wenn ich dich berühre. Ich muss erst noch einen Pakt mit dem Teufel schließen.“
„Wenn du mir etwas zu verstehen geben willst, dann fass es in klare, unmissverständliche Worte.“
„Hier ist es.“ Sebastian wirkte ernst. „Wenn ich einen faustischen Vertrag sozusagen mit Blut unterzeichnet hätte, wäre darin mit Sicherheit eine Klausel, die ausschließt, dass ich darüber reden darf. Daher lass mich nur das Eine sagen. Ich zu sein … ist nicht so amüsant, wie es einst war.“
Oliver konnte das gerne glauben. Der Ruhm war gewissermaßen über Nacht gekommen. Es war nicht so lange her, dass er nur ein weiterer reicher Mann mit ausschweifendem Lebenswandel war, in eine vornehme Familie geboren, der keine Veranlassung sah, sich in irgendeiner Form anzustrengen. Er hatte getan, was wohlhabende Männer aus guten Familien oft taten – er hatte in der Damenwelt der Stadt gewildert und sich einen Namen als Hedonist gemacht.
Ja, er war klug. Und er war immer überaus witzig gewesen. Aber wenn jemand Oliver vor zehn Jahren gefragt hätte, was Sebastian mit seinem Leben tun werde, hätte er nie – nicht in einer Million Jahren – erraten, dass sein Freund Ruhm in den Naturwissenschaften erringen würde.
Und dann, praktisch aus heiterem Himmel, hatte Sebastian einen Artikel ausgerechnet über Löwenmäulchen veröffentlicht. Der war gut aufgenommen worden und hatte einige Beachtung gefunden. Ein halbes Jahr später war ein weiterer Artikel erschienen, dieser über Erbsen, und ein paar Monate danach einer über Salatpflanzen.
Und bloße drei Monate nach dem Artikel über Salat hatte Sebastian erklärt, dass
Weitere Kostenlose Bücher