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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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dann hier?“
    Er schwieg einige Zeit, bevor er langsam die Hand ausstreckte und die ihre nahm. Nicht, um sie sich auf den Arm zu legen oder ihr über unebenen Boden zu helfen. Er nahm ihre Hand und streichelte sie mit dem Daumen, bis ihre Finger sich öffneten. Und dann – wobei er ihr immer noch in die Augen schaute – beugte er sich vor und küsste sie auf die Handfläche.
    Das war der Augenblick, in dem Emily begriff, dass sie, ohne es zu wollen, in gefährlich tiefes Wasser geraten war.

Kapitel 11

    E INER V ERSUCHUNG, sagte Oliver sich, begegnete man am besten, indem man ihr aus dem Weg ging. Wenn man nicht zu viele Süßigkeiten essen wollte, war es am besten, sie gar nicht erst zu kaufen. Wenn man keinen Alkohol trinken wollte, sollte man keinen Pub aufsuchen. Und wenn man eine Dame nicht bloßstellen wollte …
    Nun, Oliver war zu dem Schluss gekommen, dass es am besten sei, Abstand zu wahren. Es war ihm drei Tage lang gelungen, und er hoffte, dass es sich bei dem Dinner heute Abend nicht anders verhalten würde.
    Ihre Kleider wurden nicht besser. Da war die blau-goldfarbene Kreation, farblich vollkommen in Ordnung, aber vom Muster her so gemacht, dass es schimmerte und pulsierte, vor seinen Augen größer zu werden und wieder zu schrumpfen schien, bis er wegschauen musste. Dann gab es noch das rote Kleid des Höllenfeuers – wie Whitting es genannt hatte. Gewaschene Seide, die in der Tat an Flammen erinnerte.
    Und dann war da noch das Kleid, das sie heute Abend trug.
    Miss Fairfield hatte eine Gabe dafür, eine schöne Idee zu nehmen und sie dann so zu verunstalten, dass man sie nicht wiedererkannte. Oliver hatte schon wirklich reizende Kleider aus Gaze auf Satin gesehen. Weiße Gaze über blauer Seide konnte ätherisch wirken. Rote Gaze auf weißem Satin schimmerte im Licht der Lampen rosa. Sogar schwarzer Seidensatin – und ihr Unterkleid war tiefschwarz – mit goldfarbener Gaze veredelt wäre kleidsam gewesen, wenn sie nur bei der goldfarbenen Gaze aufgehört hätte. Aber das hatte sie natürlich nicht. Blau, Rot, Weiß, Grün und Lila – der weite Rock bestand aus genau diesen Lagen, die zusammen ein scheußliches und einfach unmögliches Farbspiel ergaben.
    Unmöglich war das richtige Wort. Weil sie entsetzte Aufmerksamkeit erregte und angestarrt wurde, wie es stets der Fall war. Wie alle anderen auch konnte Oliver nicht wegsehen. Aber im Gegensatz zu allen anderen hatte das bei ihm, so vermutete er, einen ganz anderen Grund.
    Er mochte sie. Mehr als das, wenn er ehrlich zu sich selbst sein wollte. Wenn er es zuließe, würde sein Verstand sich den Haarnadeln in ihrer Frisur zuwenden, emaillierte Blüten in allen Farben des Regenbogens, die an Goldkettchen baumelten. Er würde sich dabei erwischen, wie er darüber nachsann, sie herauszuziehen, mit seinen Händen durch ihr weiches, seidiges Haar zu fahren und sich den Kuss zu nehmen, den er beinahe schon gestohlen hätte.
    Einer Versuchung, rief er sich in Erinnerung, begegnete man am besten, indem man ihr aus dem Weg ging.
    Sie hob den Kopf und ertappte ihn dabei, wie er sie anschaute. Und dann, ehe er den Blick abwenden konnte, lächelte sie und zwinkerte ihm zu. Er spürte es bis ins Mark. Sein Geschlecht regte sich als Reaktion darauf.
    Er hätte wissen müssen, dass das nur der Anfang war.
    Sie fand ihn ein paar Stunden später. „Mr. Cromwell“, sagte sie mit einem belustigten Funkeln in den Augen.
    „Miss Fairfield“, hörte er sich erwidern, aber selbst dieser Anflug von Verspieltheit war zu viel. Sie lächelte. Er hatte mal im Scherz behauptet, dass er fürchtete, ihre Kleider seien ansteckend, aber es war ihr Lächeln, das es war.
    Und es erwischte ihn. Er fühlte sich wie am Haken einer Angel, verspürte keinen anderen Wunsch, als ihr Lächeln zu erwidern.
    „Miss Fairfield“, sagte er mit leiser Stimme, „ich hatte gedacht, wir seien uns einig. Wir tun das nicht. Es ist unmöglich.“
    „Einig?“, flüsterte sie zurück. „Sie haben das gesagt. Ich habe den Mund gehalten. Das ist nicht einig.“
    Er hatte nicht aufgehört zu lächeln.
    „Dann sollten wir das sofort ändern. Jane, wir dürfen das nicht tun. Wir dürfen keine … Freunde sein.“
    Freunde. Es war keine Freundschaft gewesen, was ihn dazu veranlasst hatte, ihre Wange zu berühren, als sie das letzte Mal zusammen gewesen waren. Es war schlimmer. Er war ihr gegenüber empfänglich, sicher, aber er kannte die Art und Weise, wie sie ihn anschaute. Wie sie

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