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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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was?«
    »Und wie! Nicht ich habe das Rennen verloren, sondern die Box! Da kann man so gut sein wie nie – und dann ist da ein Mechaniker, der drei Sekunden schläft. Man könnte aus der Haut fahren!«
    »Autorennen ist Ihr ganzes Leben, nicht wahr?«
    Sie sahen sich an. Marcels Augen waren blau, ihre Augen waren schwarz. Aber als ihre Blicke aufeinandertrafen, veränderte sich alles und wurde golden.
    »Viel von meinem Leben gehört dem Rennen«, sagte Jérome Marcel stockend. »Viel, aber nicht alles.«
    »Wie kann man Sie trösten?« Lyda drehte sich voll zu ihnen um. Ihr breitflächiges Gesicht lag nun im Schimmer der Kristallüster. Das schwarze Haar glänzte wie Seidenfäden. Sie war kaum geschminkt, das Rot der Lippen wirkte natürlich, nicht aufgemalt. »Wollen wir tanzen?«
    »Das wäre für Sie eine Leidensstrecke, Mademoiselle«, sagte Marcel und lächelte schief. »Ich mache keine Tanzschritte – ich kupple und bremse.«
    »Ich bringe es Ihnen bei, ja?« Sie rutschte vom Hocker und stand neben ihm, mittelgroß, in ihrem Modellkleid, das die Figur unkenntlich machte, bis auf den Ansatz der Brüste, über denen das Gummikräuselband das Kleid festhielt. »Sie spielen gerade einen Slowfox.«
    »Hätten Sie Tango gesagt – ich hätt's auch geglaubt.«
    »Mademoiselle Penopoulos ist eine gute Lehrerin«, hakte Lafond ein. »Erst seit ich von ihr eine Lektion bekam, spiele ich Boule richtig.«
    »Versuchen wir es!« Lyda lachte jungmädchenhaft. »Wer so wie Sie in die Kurven rast, hat doch wohl keine Angst vor ein paar Tanzschrittchen?«
    »Ich nicht!« rief Marcel und bot Lyda seinen Arm. »Ich nicht, Mademoiselle. Sie sollten Angst davor haben! Sie ahnen nicht, was Sie erwartet! Sollten wir nicht vorher dem Hotel-Arzt einen Wink geben?«
    Sie lachte schallend, bog sich zurück, zog auf der Tanzfläche Marcel mit einem Ruck an sich und legte den Arm um ihn.
    Er tanzte wirklich wie ein Bär.
    Nicht, daß er sinnlos herumtappte und eine komische Figur machte, jedoch er hatte nicht das geringste Gefühl für Rhythmus; jedwede Musikalität schien ihm völlig abzugehen. Immerhin gab er sich alle Mühe, mit seinen stämmigen Beinen und Füßen nicht in allzu gefährliche Nähe von Lydas Schuhen zu kommen. Er ließ sich von ihr, die ihn ja das Tanzen lehren wollte, über das Parkett schieben, aber da die Tanzfläche heillos überfüllt war, fiel es nicht auf, daß Jérome Marcel eigentlich nur neben oder um Lyda herumlief. Jedenfalls bewunderten ihn die Damen und zwinkerten ihm zu, wenn er an ihnen vorbeitrottete. Natürlich die Lyda Penopoulos, dachten sie. Kann sich mit ihren Milliarden alles angeln, sogar den schönen Jérome. Aber er wird bald merken, was er sich da eingefangen hat. Wie dem Spinnenmännchen wird es ihm ergehen, das von seinem Weibchen nach der Liebe getötet wird. Paß auf, Jérome Marcel! Diese Lyda ist eine männerfressende Bestie! Man sollte ihn warnen …
    Pierre Lafond hockte auf seinem Barstuhl und genoß einen Champagnercocktail. Er freute sich, daß es ihm gelungen war, Marcel mit Lyda zusammenzubringen. Für ihn war die reiche Erbin einige Nummern zu groß. Auch bei solchen Gelegenheiten tröstete er sich mit seinem alten Spruch: »Junge, du bist immer der Dritte! Der letzte in der Spitzenklasse – aber immerhin Spitzenklasse!« Jetzt interessierte es ihn, wie sich alles weiterentwickelte. Er hatte den Vorhang aufgezogen und saß nun auf einem Logenplatz, um den Fortgang des Schauspiels zu verfolgen. Im Grunde genommen war Jérome Marcel, was Frauen betraf, ein selten fauler Hund. Da ihm offenbar jede Frau zufiel, als schüttele er reifes Obst vom Baum, gehorchte er nur biologischen Zwängen und hatte es, von ein paar Ausnahmen am Anfang seiner kometenhaften Laufbahn abgesehen, nie nötig gehabt, zu sagen: »Ich liebe dich!«
    Liebe … Das war für ihn so etwas wie Ölwechsel oder Batteriekontrolle. Eine Frau gehörte in seinen Lebensrhythmus wie eine Inspektion des Rennmotors. Sie besaß eine Funktion, mehr nicht. Wenn bei anderen Rennfahrern die schönsten Mädchen an den Boxen warteten, wenn ihre attraktiven Frauen an der Piste standen und die Zeit stoppten, wenn die Zeitschriften von ihnen Bildberichte brachten über neue Liebschaften – und es waren bei Damen fast immer bekannte Namen dabei –, dann saß bei Marcel nur ab und zu ein langmähniges Wesen vor der Box und starrte ängstlich auf die vorbeiheulenden, flachen, mit Reklame bemalten Ungeheuer, gelenkt von den

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