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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Penopoulos heiße? Mein Vater hat in New York Schuhe geputzt …«
    »Ich glaube, du verstehst mich nicht, Lyda.« Marcel blickte über ihren Kopf in den Kamin mit dem knisternden Zedernholz. »Ich muß fahren! Ich bin noch nicht soweit, um zu sagen: Ich höre auf; ich habe genug für den Rest des Lebens. Da fehlt noch einiges. Da fehlt der Weltmeister in der Formel I.«
    »Und ich verbiete dir, zu fahren!« sagte sie laut.
    Er ließ sie los und starrte sie an. Im gleichen Augenblick merkte sie, daß sie mit diesem Satz alles zerstört hatte. Einem Marcel kann man nichts verbieten. Sie warf sich an ihn. Umklammerte ihn und begann zu weinen. »Das war dumm!« schluchzte sie. »Ich weiß, das war dumm. So war es auch gar nicht gemeint. Jérome, hau mir eine runter! Komm, schlag mich! Ich habe es verdient. Vergiß es, vergiß alles aus den letzten Minuten! Ich liebe dich doch …«
    »Ich werde nie eine Frau schlagen«, sagte Marcel dumpf. »Aber ich fliege morgen nach Kapstadt und nehme das Training auf!«
    »Jérome!« Ihre Stimme war tonlos, gebrochen. »Ich habe Angst! Sag mir, was soll ich tun, damit du nicht mehr fährst?«
    »Nichts! Da kann man nichts tun!« Er schob ihre Arme von seinem Nacken, nahm sein Rotweinglas, trank es leer und warf es in die Flammen. Es zerschellte … der Rest des Weines verdampfte zischend. »Ich verspreche dir nur eins: Wenn ich Weltmeister bin, fahre ich noch eine Saison, dann höre ich auf. Dann brauche ich das Geld der Penopoulos' nicht mehr!«
    »Und wenn du nicht Weltmeister wirst?«
    »Dann fahre ich so lange, bis sich mein Bart um die Räder wickelt!«
    »Du – du liebst mich also nicht?« stammelte sie. Ihre Augen waren ganz weit.
    »Ich liebe dich grenzenlos. Aber ich werde nie meine Persönlichkeit aufgeben. Ich will mit dir leben, aber nicht neben dir …«
    In dieser Nacht rannte Jérome Marcel zu Fuß durch Knysna zu einer Villa am Rande der Lagune. Der einzige Arzt wohnte dort; das Hospital, oben in den Bergen an der Hauptstraße, war viel zu weit entfernt. Im Schlafanzug, aus dessen Tasche eine Pistole hervorragte, öffnete der Arzt die Tür. Zu solcher Zeit klingelte niemand an Knysnas Villen.
    »Kommen Sie schnell, Doktor!« schrie Marcel. Seine blonden Haare hingen ihm über das verschwitzte Gesicht. »Schnell! Vielleicht ist es schon zu spät …«
    Lyda Penopoulos hatte versucht, sich mit dreißig Schlaftabletten das Leben zu nehmen. In tiefer Besinnungslosigkeit, kaum noch atmend, lag sie vor dem Kamin zwischen den beiden Sesseln.
    Der Doktor von Knysna, ein alter Armeearzt, der wenig Worte um selbstverständliche Dinge machte, behandelte Lyda Penopoulos nach einer Methode, die wohl kaum die letzten Erkenntnisse der Medizin berücksichtigte.
    Zunächst ließ er die Vergiftete auf dem Teppich vor dem Kamin liegen, kniete sich neben sie, riß ihr das Nachthemd bis zum Nabel auf und legte sein Ohr auf ihren Leib, nachdem er die linke Brust wie einen lästigen Klumpen weggeschoben hatte. Dann nickte er ein paarmal wortlos, betrachtete Lyda mit dem sterilen Interesse jener Ärzte, für die der Patient nur ein Fall ist, holte aus und verabreichte ihr rechts und links ein paar schallende Ohrfeigen. Marcel zuckte schmerzlich zusammen und holte tief Atem.
    »Mußte das sein?« fragte er heiser vor Angst.
    »Ja. Das muß sein!«
    »Ich denke, man pumpt den Magen aus oder man flößt Milch ein, oder man gibt ein Gegengift und Herzspritzen …«
    »Später! Erst die Ohrfeigen! Sie hat's verdient! Jeder, der sich umbringen will, bekommt von mir erst einmal Dresche! Ich hatte in meinem Medizinerleben bisher 164 Suizidfälle – das hier ist Nummer 165! Und immer habe ich die Idioten erst verprügelt und dann behandelt. Die meisten konnte ich retten. Die Erfolgreichen hatten entweder zuviel geschluckt oder gespritzt, oder ich kam einfach zu spät. Hier komme ich nicht zu spät!« Er richtete sich auf und dehnte sich. »So ein dummes Luder! Ihre Frau?«
    »Ja«, sagte Marcel ohne Zögern.
    »Ehekrach?«
    »So ähnlich.«
    »Was heißt so ähnlich? Junger Mann, Sie müssen mir das schon genauer erklären. Ich muß nicht nur die Selbstmörder behandeln, sondern mich auch um die Ursachen kümmern. Oft sind die Verursacher kränker als die Selbstmörder!« Er rieb sich die Hände und nickte Marcel zu. »Tragen wir sie ins Schlafzimmer! Dabei können Sie schon immer mit der Beichte anfangen.« Er griff Lyda unter die Schultern, Marcel faßte ihre Beine. Sie hoben sie auf und trugen

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