Die Erbsünde
Bedürfnissen des Körpers anzupassen. Deon war versucht, das Ding wieder abzustellen, nur um zu sehen, was geschehen würde. Aber er wußte, daß es keinen Sinn hatte. »Gut. Dann geh' ich jetzt nach Hause. Alles in Ordnung auf den Stationen?«
»Das Manyani-Baby, Sir.«
»Manyani?« Ach ja, das war das afrikanische Kind aus Transkei. Tetralogie. Er hatte es letzte Woche operiert, und das Kind hatte sich gut erholt. »Ja, was gibt es denn?«
»Vor einer halben Stunde hat mich die Stationsschwester angerufen, Sir. Das Kind war sehr unruhig, und sie wollte wissen, ob sie ihm etwas Morphium geben sollte.«
»Ja? Und?« Deon hatte seinen Leuten eingeschärft, sich kurz und bündig auszudrücken. Moolman hatte seinen Instruktionen offenbar wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
»Da dachte ich, ich seh' es mir lieber erst mal an«, stammelte der Assistenzarzt weiter, »und ich fand, daß sich die Atmung während des Tages ständig beschleunigt hatte. Der Kreislauf war nicht so gut wie heute Morgen, und das Kind war heute nur zweimal nass.«
Deon fand den langatmigen Krankenbericht ermüdend. Er ließ Moolman stehen, während er noch sprach, und ging zur Tür. »Kommen Sie, wir sehen uns das Kind mal an.«
Dem Manyani-Baby ging es schlecht. Die Atmung war zu schnell, der Puls zu hoch. Das Kind war kalt und viel blauer als am Morgen bei der Visite. Deon lieh sich Moolmans Stethoskop aus und untersuchte die Lunge. Die Hälfte der rechten Lunge war außer Betrieb.
»Ich glaube, das Kind hat einen Kollaps des mittleren und unteren Lappens.« Deon gab prägnant seine Anweisungen: »Bringen Sie es zurück auf die Intensivstation. Lassen Sie eine Röntgenaufnahme machen und legen Sie eine Infusion an. Wir werden eine Drainage legen, um die Lungen ordentlich leerzusaugen, dann lassen wir es über Nacht am Sauerstoffgerät. Ich bin zu Hause zu erreichen. Rufen Sie mich an, sobald Sie die Röntgenaufnahme gesehen haben.« Er ging zur Tür. Er fühlte, wie die Spannung ihn umklammerte, diese Mischung von Erregung und Überwachsein, die ihm Verstand und Sinne schärfte. Es sah aus, als hätte das Kind nicht die notwendige Physiotherapie bekommen. Die Stationen für Nicht-Weiße waren immer überfüllt und hatten meist zuwenig Personal. Dieses Kind hier gehörte zurück auf die Intensivstation. Kinder gaben einem nur eine Chance, und wenn man die versäumte, hatte man verloren.
Elizabeth lag mit offenen Augen bei geschlossenen Vorhängen im Schlafzimmer und starrte an die Decke.
Deon versuchte, die warnenden Vorzeichen zu ignorieren, indem er sich ganz unbefangen gab.
»Hallo!« Er zog sein Jackett aus und hängte es in den Schrank. »Junge, war das heute wieder ein Tag! Alles ist schiefgegangen.« Er begann seine Krawatte zu lösen.
»Das tut mir aber sehr leid«, sagte sie mit gepresster Stimme.
Er hielt in seiner Bewegung inne und sah ihr prüfend ins Gesicht. »Warum denn gleich so sarkastisch?«
»Sarkastisch!« Sie schnaubte wütend. »Als wenn du wüsstest, ob ich sarkastisch bin oder nicht! Als wenn du überhaupt wüsstest, wenn ich mit dir rede! Du hörst mir ja nicht mal mehr zu!«
»Sag mal, was soll das ganze Theater eigentlich?«
Sie stützte sich auf ihren Ellbogen. »Vielleicht interessiert es dich, daß deine Tochter heute von der Polizei nach Hause gebracht werden mußte.«
»Von der Polizei?«
»Ja. Aber du hast ja Wichtigeres zu tun, als dich um deine Kinder zu kümmern.«
»Aber was ist denn passiert?«
»Sie haben sie aufgegabelt, als sie singend über de Greenmarket Square tanzte.«
»Haben sie Anzeige erstattet?«
»Das hättest du wohl gern, wie?«
»Sei doch nicht kindisch. Haben sie sie angezeigt?«
»Nein. Einer der Polizisten hat sich ihrer erbarmt und sie nach Hause gebracht.«
»Na, Gott sei Dank, wenigstens das nicht. War sie – hatte sie Drogen genommen?«
»Offensichtlich.«
Er fingerte an seiner Krawatte. »Ich verstehe einfach nicht, was mit dem Kind los ist.«
Sie warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu und legte sich wieder zurück. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die sich plötzlich trocken anfühlten. Das Telefon auf dem Nachttisch schnarrte. Er starrte es erschrocken an, dann ging er schnell hinüber und riß den Hörer von der Gabel. »Ja?«
»Professor Van der Riet?«
»Ja. Ja.«
»Moolman, Sir. Es tut mir leid, daß ich Sie belästigen muß, Sir.«
»Schon gut. Was ist?«
»Sie sagten, ich soll Sie anrufen, sobald ich die Röntgenaufnahmen gesehen
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