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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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meldete sich sofort. »Verbinden Sie mich bitte mit der Herzklinik.« Er stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und lehnte sich vor. »Solange wir nicht wissen, was genau Giovanni fehlt, kann ich nicht sagen, ob Hilfe möglich ist.«
    »Man sagte mir aber doch, es sei eine Tetralogie«, erwiderte sie schnell.
    »Das ist wahrscheinlich richtig, aber wir müssen ganz sicher sein. Es gibt noch viele andere Ursachen für ein ›Blaues Baby‹.«
    Die Sprechanlage summte.
    »Die Herzklinik«, meldete Jenny. »Dr. Schoenman.«
    »Entschuldige bitte einen Moment, Trish.« Er nahm den Hörer auf. »Johan? Deon hier. Wann können Sie einen fünfjährigen Jungen mit Verdacht auf Fallot-Tetralogie sehen?« Er hielt einen Moment inne, dann fuhr er fort: »Wir wollen ihn uns erst näher ansehen. Dann können wir entscheiden, ob wir ihn katheterisieren müssen.«
    Trish war aufgestanden und betrachtete die Bilder und Urkunden an den Wänden.
    »Schön. Ich frag' die Mutter, ob es geht.« Er legte eine Hand über die Sprechmuschel. »Gleich jetzt, um vier Uhr?«
    Sie drehte sich um und nickte dankbar. »Geht in Ordnung«, sagte er ins Telefon. »Das Kind heißt Giovanni Sedara. Ja, Italiener. Bitte lassen Sie sie nicht im Korridor warten. Vielen Dank, Johan.«
    Trish war bei Elizabeths Porträt angelangt. Ohne sich umzudrehen, sagte sie: »Danke, Deon. Ist das deine Frau?«
    »Ja.« Er wußte nicht, was er weiter dazu sagen konnte.
    »Sie ist sehr schön.«
    »Das wurde natürlich schon vor langer Zeit gemalt. Aber sie sieht immer noch gut aus.«
    Trish setzte sich wieder. Der Junge war ihr überallhin gefolgt. Jetzt kletterte er neben ihr auf seinen Stuhl und baumelte leeren Blicks mit den Beinen vor sich hin.
    »Wenn die Kardiologen ihre Untersuchungen abgeschlossen haben, unterhalten wir uns wieder über Giovanni.« Deon sah auf seine Uhr. »Hast du vor vier Uhr noch etwas zu erledigen? Es ist gerade erst Viertel nach drei durch. Hast du einen Wagen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie trug ihr Haar jetzt kurz, aber die Geste war ihm vertraut aus der Zeit, als es noch schwer und lang ihr Gesicht umrahmte. Sie schnitt ihm ins Herz.
    »Warte mal«, sagte er, »trink eine Tasse Tee mit mir, ja? Ich bring' euch dann rüber in die Klinik.«
    Sie setzte sich steil auf. »Nein, danke, Deon. Ich kann deine kostbare Zeit nicht weiter …«
    »Ach, Quatsch«, sagte er entschieden, »Möchte Giovanni eine kalte Limonade?«
    »Es ist reizend von dir, aber wirklich nicht nötig.«
    »Ich bestehe darauf.«
    Sie sah ihn mit einem unsicheren Lächeln an, dann lehnte sie sich zurück, während er mit Jenny sprach. Sie ließ den Blick durch den mit modernem Luxus ausgestatteten Raum schweifen. »Du hast dir einen großen Namen gemacht. Man liest sogar hin und wieder in den italienischen Zeitungen über dich.«
    Er wollte seine üblichen, bescheiden abschwächenden Redensarten vom Stapel lassen, hielt jedoch inne. Trish durchschaute ihn ja doch.
    »Es war nicht das, was ich vom Leben erwartete«, sagte er statt dessen.
    »Das ist es selten.«
    »Trotzdem hat es gewisse Vorteile.«
    »Das will ich meinen.«
    Er lehnte sich zurück. »Und du? Wie ist es dir ergangen in all den Jahren? Erzähl mir doch, was du alles erlebt hast.«
    Zuerst kamen ihre Sätze zögernd, als falle es ihr schwer, sich auszudrücken, aber allmählich wuchs ihr Selbstvertrauen, und die Erzählung kam in Fluß. Ihr Gesicht belebte sich, und gewisse Eigenheiten – ihre Art, mit offenen Handflächen zu gestikulieren, ihr schiefes, wehmütiges Lächeln, eine bestimmte Kopfhaltung –, all das kehrte zurück und erinnerte ihn an eine Trish, die er einst geliebt hatte.
    Während sie sprach, konnte er sie ungestört beobachten und abschätzen, wie die Jahre sie gezeichnet hatten. Sie war zwei Jahre jünger als er, also dreiundvierzig. Aber das Alter war ihr kaum anzusehen, denn sie strahlte noch immer jene Kraft und Leidenschaft aus, die ihn damals so gefesselt hatten.
    So hatte er sie sich immer vorgestellt: malend in einem Dachatelier in Spanien, ohne sich je zu verändern, ohne zu altern, ohne die Freiheit preiszugeben, die sie gewählt hatte. Nun freute er sich wie ein Kind, daß er zum Teil recht gehabt hatte.
    Das erste halbe Jahr hatte sie in Barcelona gelebt, aber mit zunehmendem Touristenverkehr wurde die Costa Brava immer teurer, und sie war nach Malaga gegangen. Dort hatte sie Robert kennen gelernt, einen amerikanischen Schriftsteller, der an einem Buch schrieb und

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