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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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habe.« Der junge Arzt schien bekümmert.
    »Ich weiß. Wie ist das Ergebnis?«
    »Die Aufnahme zeigt, daß etwa zwei Drittel der rechten Lunge dunkel sind. Der Radiologe sagt, es ist ein Kollaps des Unter- und Mittellappens.«
    »Gut. Ich habe Ihnen ja die Anweisungen gegeben. Haben Sie das Kind auf die Intensivstation gebracht?«
    Der junge Mann hüstelte verlegen. »Die Schwester sagt, sie kann das Kind nicht aufnehmen, Sir.«
    »Die Schwester sagt – was?«
    »Sie sagt, sie kann kein Bantukind aufnehmen, weil ein weißes Kind auf der Intensivstation liegt«, quetschte Moolman unglücklich hervor. »Ich habe eine Infusion angelegt. Wir werden wohl die Intubation auf Station vornehmen müssen.«
    »Den Teufel werden wir … War das der einzige Grund? Das weiße Kind?«
    »Jawohl.« Zögernd fügte Moolman hinzu: »Ich glaube aber nicht, daß es die Entscheidung der Schwester war. Die Schwester Oberin hat angeordnet, daß sie das Kind nicht aufnehmen kann.«
    »Mit welchem Recht schreibt die Oberin mir vor, wo ich meine Patienten behandle?«
    »Ich glaube, es war eine Anordnung der Verwaltung, Sir.«
    »Das ist doch die Höhe! Ich habe … Ach, lassen wir das. Nun hören Sie mir mal gut zu! Sie gehen jetzt auf die Station, nehmen das Baby in Ihre Arme und tragen es selbst runter zur Intensivstation. Und es soll keiner wagen, Sie daran zu hindern! Und sehen Sie zu, ob Sie Tom irgendwo auftreiben können.«
    »Hab' ich schon, Sir. Er ist unterwegs.«
    »Guter Junge. Was macht Marietje?«
    »Es geht ihr gut – außer dem Block.«
    »O. K. Nun tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe. Ich bin gleich da.« Deon legte den Hörer auf und wandte sich zu seiner Frau. »Wo ist Lisa?« fragte er.
    »In ihrem Zimmer«, erwiderte Elizabeth.
    »Gut. Da soll sie vorläufig bleiben. Ich muß wieder ins Krankenhaus, aber es dürfte nicht allzu lange dauern.«
    Sie sah schweigend weg.
    Während er seine Krawatte neu knotete, dachte er ärgerlich an die Einmischung der Verwaltung. Er war der Überzeugung gewesen, daß wenigstens über dieses Problem eine Vereinbarung bestand. Als Deon anfing, am Kinderkrankenhaus zu operieren, war nur Platz für eine Intensivstation gewesen. Wie es in diesem engstirnigen Land unvermeidlich war, tauchte sofort das Rassenproblem auf. Um die Rassen getrennt zu halten, mußte er abwechselnd eine Woche nur weiße Kinder operieren, die nächste nur schwarze und farbige. In der Praxis war das natürlich nicht durchführbar. Krankheit kannte keine Rassentrennung. Oft kam es vor, daß ein weißes Kind noch zu schlecht dran war, um die Intensivstation am Ende der ›weißen Woche‹ zu verlassen. Oder ein schwarzes Kind mußte dringend in der ›weißen Woche‹ operiert werden. Er hatte dem Verwaltungsdirektor das Problem so taktvoll wie möglich auseinandergelegt.
    »So geht es nicht weiter. In Zukunft werde ich mir nicht mehr den Kopf zerbrechen, ob das Kind, das ich operiere, die richtige' Farbe hat. Ich operiere und behandle meine Patienten, wie sie kommen, und damit basta«, hatte er abschließend gesagt.
    Dr. Van Rhyn sah wohl ein, daß Deon recht hatte, wagte aber nicht, sich festzulegen. »Das hört sich ja alles recht einleuchtend an, Deon, aber wir müssen uns dem Gesetz beugen. Das wissen Sie doch.«
    »Wenn Sie dem Gesetz wirklich so streng folgen wollen, dürfte ich auch nicht denselben Operationssaal, dieselbe Narkosemaschine, dieselben Instrumente und dasselbe Personal für weiße und schwarze Patienten benutzen. Das Ganze ist doch eine Farce. Neulich im Hauptkrankenhaus war es dasselbe Tamtam: Nichtweiße Schwestern dürfen wohl im Operationssaal für weiße Patienten arbeiten, aber nicht auf der Station. Und wissen Sie, was die Schwester Oberin dazu als Erklärung abgab? ›Im Operationssaal ist der Patient ja bewusstlos.‹ Haben Sie schon mal so einen Quatsch gehört?«
    Dr. Van Rhyn breitete hilflos die Arme aus. »Deon, meine Aufgabe ist, das Krankenhaus zu leiten, wie es den Vorschriften entspricht.«
    »Scheißvorschriften. Sie wissen ja selber, wie unsinnig sie sind. Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich darum zu kümmern.«
    Der Verwaltungsdirektor seufzte und blickte aus dem Fenster.
    »Sie müssen tun, was Sie für richtig halten. Ich werde Sie nicht melden. Aber irgendwann werden irgendwelche weißen Eltern einen Mordsspektakel veranstalten.«
    »Ich will Ihnen sagen, was ich tun werde: Ich schicke das weiße Kind zurück auf Station und sorge dafür, daß die Eltern erfahren, daß

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