Die Erbsünde
dem Druck des Sturms nachgegeben. Deon sprang aus dem Bett, kämpfte sich durch die sich bauschenden Gardinen und schloß das Fenster.
Elizabeth war von dem Lärm aufgewacht. Als er wieder ins Bett stieg, streifte ihn weich und warm ein Bein. Sie lagen nebeneinander und lauschten dem Sturm, der draußen tobte. Zaghaft streckte er eine Hand nach ihr aus. Sie ließ es geschehen, daß er sie in seine Arme nahm.
Sie wollten sich gerade zum Frühstück setzen, als Peter Moorhead anrief. Elizabeth seufzte theatralisch, als Deon den Hörer wieder auf die Gabel legte. »Gott im Himmel, gönnen sie dir denn keinen Moment Ruhe?«
»Peter Moorhead hat einen schwierigen Fall drüben im Hauptgebäude«, erklärte Deon geduldig. »Und ich glaube nicht, daß er der Sache zur Zeit gewachsen ist.«
Sie sah ihn an. »Wieder Ärger mit seiner Frau?«
Er nickte. »Sieht so aus.«
Sie seufzte wieder, diesmal weniger dramatisch als mitfühlend. »Der arme Kerl. Da hat er sich aber auch eine Vettel aufgetan. Hab' ich dir schon erzählt, was sie zu Molly Brennan gesagt hat?«
Er ließ mit erzwungener Nachsicht die Geschichte über sich ergehen, die eine haarsträubend vernichtende Darstellung von Peters sexueller Unzulänglichkeit war. Trotzdem mußte er lachen. Armer Peter. Es mußte schrecklich sein, an eine Frau gefesselt zu sein, die es fertig brachte, so etwas in der Öffentlichkeit zu sagen.
»Behalte das lieber für dich«, riet er Elizabeth. »Molly redet sowieso zuviel.« Er sah auf seine Uhr. »Du, hör mal, ich hab' keine Zeit mehr, zu frühstücken. Ich muß mir noch Peters Patienten ansehen, bevor ich ins Kinderkrankenhaus fahre. Ich habe da heute Morgen eine Operation.«
Elizabeth seufzte herzzerreißend. Fast hatte Deon das Gefühl, daß sie sich in ihrer Rolle als Märtyrerin gefiel.
»Ich wünschte, dieses elende Krankenhaus würde bis auf die Grundfesten abbrennen.« In ihrem Ton klang ein leichtes Selbstmitleid mit. Vielleicht spielte sie doch nicht nur Theater?
»Kopf hoch, Liebling«, sagte er. »Nächsten Monat fahren wir zusammen nach Australien. Danach wirst du meine Gesellschaft gründlich satt haben.«
Sie zog die Nase kraus. »Was hab' ich schon davon? Du wirst ja doch die ganze Zeit auf dem verflixten Kongress sein. Und Sydney ist nicht gerade meine Lieblingsstadt.«
»Vielleicht kann ich eine Woche dranhängen«, schlug er vor. »Dann könnten wir weiter nach Norden fahren, ans Barrier Reef.«
Sofort war sie Feuer und Flamme. »Ja, das wäre schön. Da waren wir noch nie.«
»Nein.« jetzt konnte er nicht mehr zurück. Er konnte sich eigentlich nicht freimachen, aber sie hatte eine Abwechslung dringend nötig, irgendwie mußte er es deichseln. »Gut. Dann werde ich das arrangieren.«
Als er ging, waren sie miteinander versöhnt. Während der Fahrt dachte er über seine Ehe nach. Es war alles nicht so gekommen, wie er es sich vorgestellt hatte. Woran lag es? Was war schiefgegangen, und wann?
Er schüttelte resignierend den Kopf und konzentrierte sich auf die steilen, gewundenen Kurven.
Als Deon in die Intensivstation kam, sah er den Verwaltungsdirektor mit einem Ehepaar an Marietjes Bett stehen. Das mußten die Eltern sein. Der Vater hatte, wie seine Tochter, rotes Haar und Sommersprossen. Piet Joubert, der fanatische Rassenkämpfer. Ein knochiges, aggressives Gesicht, ein magerer Nacken. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen, dachte Deon. Die Mutter wirkte angenehmer, sie war etwas füllig und lächelte oft und bereitwillig, wenn auch etwas unsicher. Die beiden beobachteten Deon bei jeder Bewegung. Van Rhyn hingegen ignorierte ihn völlig.
»Könnten Sie bitte ein paar Minuten draußen warten? Sie können wieder hereinkommen, sobald ich meine Patienten untersucht habe.« Er war überrascht, daß seine Stimme einigermaßen liebenswürdig klang, obwohl er die letzten beiden Wörter mit Nachdruck ausgesprochen hatte.
Sie machten Anstalten, zu gehen, aber Marietje klammerte sich an die Hand ihrer Mutter. Deon kam lächelnd an ihr Bett. Als sie ihn sah, ließ sie die Hand los. Sie waren Verbündete, er und das Kind. Sie hatten Seite an Seite gekämpft – und gesiegt.
»Dr. Moorhead hat eine Frühvisite gemacht«, sagte Moolman. »Er ist ins Hauptgebäude gefahren.«
»Ich weiß«, sagte Deon, »ich war gerade bei ihm.«
Moolman wirkte abgekämpft. Er war unrasiert, was Deon sonst nicht duldete. Aber der junge Mann hatte Tag- und Nachtdienst gemacht und war völlig erschöpft. Deon beschloß,
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