Die Erbsünde
und denk an deine Verpflichtungen. Streich Trish aus deinem Gedächtnis. Ein für allemal.
Seine Miene verriet nichts von seinen Gefühlen, als er in Jennys Büro trat, um ihr die letzten Anweisungen zu geben und ihr ein schönes Wochenende zu wünschen. Mit schnellen Schritten verließ er das Gebäude.
Die meisten waren schon im Konferenzsaal versammelt. Er wechselte hier und da einen Gruß, nahm in der ersten Reihe Platz und schlug die Beine übereinander. Stirnrunzelnd betrachtete er den Schlammspritzer auf der Spitze seines Schuhs.
Neben Peter Moorhead saß ein kleines Mädchen. Sie war dunkelhaarig und seltsam blass, als komme sie nur selten an die Sonne. Sie saß reglos da, Hände und Knie fest zusammengedrückt. Deon hob fragend die Brauen. Peter setzte eine entschuldigende Miene auf.
»Das ist Kathleen Jennis, Professor. Sie werden sich erinnern. Das Kind aus Irland. Ich habe vor einem Monat von ihr berichtet. Sie ist Gillians Nichte.«
Als sie ihren Namen hörte, sah die Kleine auf. Sie starrte Deon aufmerksam an. Ihre Augen lagen wie Kohlen in dem weißen Gesicht, darunter zogen sich dunkle Ringe, als wäre jemand mit einem rußigen Finger darübergefahren.
»Man nimmt an, daß sie nur einen Vorhof mit anomaler Lungenvenenmündung hat«, sagte Peter. »Sie ist aus Kilkenny; die Ärzte in Dublin und London wagen sich nicht an die Operation. Daher schrieb Gillians Schwester an uns, und wir schlugen vor, sie hierher zu schicken. Sie ist hier an der Herzklinik rekathetrisiert worden. Die Daten werden heute hier verlesen.« Peter lehnte sich schwer atmend zurück, sichtlich erleichtert, seine sorgfältig vorbereitete Rede hinter sich gebracht zu haben.
»Ach ja, ich erinnere mich«, log Deon. Missbilligend fügte er hinzu: »Ich weiß nicht, ob es unbedingt nötig war, sie heute mitzubringen.«
Peter wurde rot. »Entschuldigen Sie, Herr Professor. Aber Gillian wollte es – sie bestand darauf, daß ich Kathleen mitnehme, damit Sie sie sehen«, stammelte er unglücklich.
Deon runzelte wortlos die Stirn, Peter biss sich auf die Unterlippe und sah weg. Das Kind blickte Deon unverwandt an.
Einer der Kardiologen knipste das wandhohe Negatoskop an.
»Erster Fall: Lucas Vilikazi. Afrikaner. Männlich. Dreiundzwanzig Jahre alt. Verengung der Aorta.« Er las schnell die charakteristischen Symptome vor. »Ein typischer Fall. Irgendwelche Fragen?«
Beifälliges Gemurmel, aber kein Kommentar.
Der Defekt war eindeutig, und über die Art der chirurgischen Behandlung bestand kein Zweifel.
»Weiter«, sagte Deon.
Der Kardiologe nickte und drückte auf einen Knopf, worauf die Aufnahmen seitwärts außer Sicht glitten und eine neue Serie erschien.
»Dennis van Rooyen. Europäer. Dreißig Jahre alt. Dieser Fall ist weniger unkompliziert.«
Deon hörte der nun folgenden Diskussion zu und machte seine eigenen Beobachtungen, grinste über einen Witz, den Robby auf seine Kosten riß, kratzte den Lehm von seinem Schuh an der Bank ab und war sich bei alldem unbehaglich bewußt, daß das Kind ihn unentwegt anstarrte. Selbst als einer der Assistenten Deon einen Aktendeckel reichte, lehnte es sich vor, damit es um den anderen herumsehen konnte.
Warum, in Teufels Namen, hatte Peter sie hergebracht? Sein Ärger auf Peter und seine überkandidelte Frau wuchs stetig.
Eine neue Aufnahmeserie erschien auf der Wand.
»Kathleen Jennis«, kündigte der Kardiologe an. »Weiße. Weiblich. Zehn Jahre alt.« Er las die Symptome, die EKG- und Katheterbefunde und die Diagnose vor.
»Einzelner Vorhof mit anomaler Mündung der linken Lungenvenen rechts vom Vorhof. Außerdem sind die Mitral- und die Trikuspidalklappe undicht.«
Das Kind sah Deon immer noch an. Er lehnte sich gegen die harte Rückenlehne der Bank, streckte die Beine aus und schlug sie kreuzweise übereinander. Er betrachtete eingehend die Röntgenaufnahme, nahm aber nicht teil an der Diskussion. Er ertappte sich dabei, wie er an der Haut zwischen Daumen und Zeigefinger knabberte, eine Angewohnheit, die zeigte, daß er im Zweifel war. Schnell steckte er die Hände in die Hosentaschen.
Über die Diagnose bestand kein Zweifel. Er hatte schon verschiedene solcher Fälle erfolgreich operiert, und auch dieser dürfte keine Schwierigkeiten bereiten.
Der Kardiologe schaltete den Apparat aus, und die Beleuchtung ging wieder an. Alle Augen waren auf Deon gerichtet. Peter Moorhead beugte sich gespannt vor. Das Kind saß regungslos neben ihm.
Deon nickte. »Notieren Sie sie
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