Die Erbsünde
für Dienstag. Der Fall dürfte kein Problem sein.«
Sofort löste sich die Spannung. Einer der jungen Assistenzärzte tuschelte mit einem Mädchen von der Röntgenabteilung. Eine Sekretärin machte sich Notizen. Robby sah auf seine Uhr. Deon drehte sich nach dem kleinen, dunkeläugigen Mädchen um und lächelte sie zum ersten Mal an. Sie erwiderte seinen Blick und lächelte zurück.
Die Konferenz war beendet, und alle verließen den Saal. Peter Moorhead, das Kind an der Hand, schob sich von hinten an Deon heran, um verlegen seinen Dank anzubringen. Deon nickte kurz und wandte sich ab. Er mochte jetzt weder davon sprechen noch daran denken. Warum bleiben diese verdammten Viecher nicht am Leben, dachte er statt dessen. Kurz überlegte er, ob er hinunter ins Tierlabor gehen sollte, um sich selbst davon zu überzeugen, was Moolman bei der Autopsie festgestellt hatte. Aber der hatte sicher längst Feierabend gemacht und alles abgeschlossen.
Denk an was anderes, sagte er sich. Spann ein paar Stunden aus.
Er freute sich auf eine Partie Golf, die er für den Nachmittag verabredet hatte. Es war ein klarer, sonniger Wintertag, ideales Wetter, um im Freien zu sein. Ein leichter Imbiss an der Bar, ein paar Gläser Bier und eine zügige Golfrunde – genau das richtige, um melancholische Anwandlungen zu vertreiben.
Doch als er den Golfplatz erreichte, hatte er es sich schon wieder anders überlegt. Er wendete den Wagen und bog wie von selbst nach rechts ab. Vor Abend wurde er sowieso nicht zu Hause erwartet. Er hatte den ganzen Nachmittag für sich. Er war frei!
Er trat aufs Gaspedal, und der Jaguar brauste davon. Es war fünf Minuten nach eins. Nach Hermanus würde er weniger als zwei Stunden brauchen.
Hermanus? fragte er sich spöttisch. Dahin also geht die Fahrt? Ausgerechnet Hermanus?
Warum nicht? Er lachte, um ein völlig unerklärliches Glücksgefühl zu unterdrücken, das ihn zu ersticken drohte.
Früher als erwartet erreichte er das Städtchen mit seinen strohgedeckten, weißgetünchten Bungalows. Auf einem Grasfleck oben auf dem Klippenvorsprung hielt er an und betrachtete die Aussicht. Eine leichte Brise war aufgekommen, und weit draußen auf dem Meer trugen die Wellen weiße Schaumkronen. Unter ihm, zwischen den grauen Felsblöcken, toste unablässig die Brandung.
Was suchte er hier eigentlich? Hatte er erwartet, daß Trish ihm auf der Hauptstraße entgegengelaufen kam? Sie war längst wieder in Italien, wo sie hingehörte. Was sollte sie auch hier noch? Wäre es nicht das beste, ins Auto zu steigen und sich auf den Heimweg zu machen, diesmal gemächlich entlang der Küste, um den Blick aufs Meer zu genießen?
Statt dessen fuhr er ins Stadtzentrum, parkte und schlenderte durch die Geschäftsstraßen. Die meisten Läden waren um diese Zeit geschlossen. Weder in der Kaffee-Bar, wo er sich bei dem bärtigen, jungen Besitzer erkundigte, noch an der Fischbude hatte man je den Namen Coulter gehört, aber der Mann im Zigarettenladen schien sich zu besinnen.
»Coulter«, wiederholte er. »Weiß nicht.« Er kratzte sich am Hinterkopf. Schuppen rieselten auf die Schulter seiner dunklen Jacke. »Coulter. Ist er ein dünnes Männchen? Bißchen mickrig? Mit grauen Haaren?«
»Kann sein.«
»Er hat immer einen Spazierstock bei sich, dabei braucht er gar keinen. Schwenkt ihn nur so zum Spaß in der Gegend rum.«
»Das könnte er sein.«
»Er holt sich jeden Sonntag seine Zeitung hier und ein Päckchen Zigaretten. Pünktlich wie die Uhr. Immer am Morgen.«
Deon versuchte, seine Ungeduld zu verbergen. »Wissen Sie, wo er wohnt?«
Der Mann kratzte sich wieder. »Ah – also genau weiß ich es nicht. Es ist irgendwo da drüben auf dem Hügel.« Er zeigte mit dem Finger nach oben. »Ich hab' ihn ein paar Mal da raufgehen sehen. Versuchen Sie's mal da.«
Deon bedankte sich und ging zum Auto. Langsam fuhr er die Straße zum Hügel hinauf. Am Gartentor des Hauses ganz oben an der Ecke stand in kleinen, zierlichen Buchstaben der Name J. M. Coulter.
Die Klingel läutete scheppernd tief drinnen im Haus. Erschrocken sah Deon auf die Uhr. Vielleicht hatte er die alten Leutchen aus dem Mittagsschlaf gerissen. Aber da hörte er auch schon schnelle Schritte hinter der Tür. Einen Augenblick später stand Mr. Coulter, schmächtiger und grauer, als er ihn in Erinnerung hatte, mit höflich fragender Miene auf der Schwelle.
»Guten Tag«, sagte Deon. »Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern, Mr. Coulter …«
Der
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