Die Erbsünde
zukommen. Sein erster Impuls war, auf die Bremse zu treten, aber er widerstand dem Drang und packte statt dessen mit voller Kraft das eingeschlagene Lenkrad. Im letzten Moment fing er den Wagen ab, aber so nahe am Rande des Abgrunds, daß er einen weißen Markierungsstein streifte und der Motor aufheulte, als das äußere Hinterrad leer in der Luft herumwirbelte.
Er fuhr ein Stück weiter, bis der Randstreifen breiter wurde, hielt und stieg aus. Die Hände zitterten ihm, und er hatte ein Gefühl, als habe ihm jemand einen Schlag in den Magen versetzt. Ein Kotflügel war stark eingebeult und ein Scheinwerfer zertrümmert.
»Verdammt!« fluchte er. »Idiot!«
Aber gleich darauf durchströmte ihn wieder, wie auf der Hinfahrt, eine pulsierende Lebenskraft. Er lebte und war frei. Mit Schärfe nahm er alles wahr, was ihn umgab: den frostigen Geruch der Bergluft, die Schreie eines Sperberpärchens, das sich vor der Klippenwand in den Lüften tummelte, die neblig dunstige Bläue der fernen Hügel, das Knirschen von Kies unter seinen Schuhen.
Er nahm alles in sich auf und verstand es.
»Der Hund war es, der starb.«
Die Idee, die während des Nachmittags kurz in ihm aufgeflackert war, brannte nun als starke, stetige Flamme in ihm.
Er wußte jetzt, was er zu tun hatte. Er wußte, wie man eine Trikuspidalatresie reparierte.
Der Morgen fing gut an, trotz des trüben Wetters. Als tue ihm das Geschenk des einen Sonnentages schon wieder leid, hatte der Spätherbst seine grauen Regenschleier geschickt. Seit Sonntag morgen nieselte es.
Aber Deon pfiff zu der beschwingten Radiomusik, als er ins Krankenhaus fuhr.
Die Straße war schlüpfrig vom Regen, und er fuhr langsam und vorsichtig. Es lief ihm jetzt noch kalt den Rücken hinunter, wenn er daran dachte, daß er am Sonntag um Haaresbreite dem Tod entgangen war.
Im Kinderkrankenhaus angekommen, wurde er von der routinemäßigen Vorbereitung auf die Operation in Anspruch genommen, aber seine Gedanken waren noch anderswo, schwangen sich wie ein Vogel frei und unbeschwert durch die Lüfte.
Sobald er aus Hermanus zurückgekommen war, hatte er Moolman angerufen, um die neue Idee mit ihm zu besprechen. Gestern hatten sie sie ausprobiert, und soweit schien alles in Ordnung. Heute Morgen rief Moolman freudig erregt an, und obwohl Deon sich zwang, skeptisch zu bleiben, war er tief drinnen überzeugt, daß das neue Experiment erfolgreich sein würde. Wenn der Hund vier Tage nach der Operation noch am Leben war, wollte er die Methode als auch beim Menschen für durchführbar gelten lassen.
Er ging, noch immer leise vor sich hin pfeifend, mit federnden Schritten in Richtung Operationssaal, wo Robby die ersten Stadien bereits beendet haben würde. Ein gutes Zeichen: Robby assistierte, und Tom Morton-Brown machte die Narkose. Sie arbeiteten gut miteinander.
Gestern hatte er mit Robby Peter Moorheads Nichte, die kleine Irin Kathleen, auf der Station besucht. Sie war noch sehr schüchtern gewesen, und die beiden hatten versucht, sie zum Reden zu bringen.
»Wer ist denn dein Schwarm?« fragte Robby.
»Donny Osborne«, antwortete sie ernsthaft.
»Was? Ich dachte, das wäre ich!«
»Nein, du bist mein dritter.«
»So? Und wer ist dann der zweite?«
Sie versteckte ihr Gesicht in den Kissen und zeigte auf Deon. »Er.«
Robby legte die Hände an die Hosennaht. »So geht das jedes Mal. Ich bin viel schöner als er, aber alle Mädchen verlieben sich in ihn.«
Das Kissen hatte unter ihrem Gelächter gebebt.
Deon lächelte bei dem Gedanken daran und ging in den Operationssaal.
»Wie steht's?«
Robby antwortete, ohne aufzusehen. »Gut. In fünf Minuten kannst du anfangen.«
Deon betrachtete eingehend die geöffnete Brusthöhle mit dem stark erweiterten Herz. In Gedanken ging er noch einmal die einzelnen Etappen der Operation durch. Dann kehrte er, noch immer voller Selbstvertrauen, in den Waschraum zurück.
Der Anschluss von Kathleens Kreislauf an die Herz-Lungen-Maschine klappte reibungslos. Es war, als hätte Deon sein Team mit seinem Selbstbewußtsein angesteckt. Über die Abtrennungswand blickte er zum Narkosearzt. »Druck in Ordnung?«
Morton-Brown warf einen Blick zuerst auf die Manometer und dann auf sein Journal. »Alles bestens.«
»Voller Fluss«, rief der Techniker.
Robby sah zu Deon hinüber, und seine Augenwinkel kräuselten sich über der Maske. »Zweiter Schwarm«, schmunzelte er.
»Messer«, sagte Deon zur Schwester. Er benutzte ein Skalpell, um einen kleinen
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