Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
Vom Netzwerk:
ihr bei den Einlieferungsformalitäten behilflich zu sein. Giovanni trottete hinter ihnen drein zur Station. Er vertraute auf Trish, und Trish vertraute auf Deon. Moolman wartete schon. Deon hatte ihn vom Labor auf die Station versetzt; während der nächsten drei Wochen sollte er einzig für Giovanni da sein. Er würde die Vorbereitungen zur Operation treffen, bei der Operation assistieren und dann während der postoperativen Zeit nicht mehr von seiner Seite weichen.
    Trish gab ihrem Sohn einen leichten Kuss auf die Wange und wandte sich ab. Sofort fing Giovanni an zu weinen. Moolman versuchte, ihn mit einem Spielzeug abzulenken, aber er schrie nur noch lauter. Deon beobachtete Trish, wie sie zögerte und dann mit resoluter Miene die Station verließ. Das Gebrüll des Kleinen verfolgte sie durch den ganzen Korridor.
    Deon glaubte, Trish zerstreuen zu müssen, daher fuhr er mit ihr zu einem Strandhotel, wo sie einen Drink nahmen. Sie unterhielten sich über Giovanni und die Operation, dann tauschten sie alte Erinnerungen aus ihrer Studienzeit aus. Trish war ernst, aber nicht unliebenswürdig. Als er sie zum Abendessen einlud, nahm sie an. Anschließend fuhr er sie nach Hause zu ihrer Wohnung, die sie eigens gemietet hatte, um in Giovannis Nähe zu sein. Sie bat ihn noch auf eine Tasse Kaffee zu sich hinein.
    Das Zimmer lag in hellem Mondlicht. Trish schaltete nicht sofort die Beleuchtung ein, sondern ging ans Fenster und betrachtete die glitzernde Mondbahn auf dem Meer. Deon verstand dies als Aufforderung, trat neben sie und ergriff ihre Hand, die sie ihm ruhig, aber bestimmt entzog. Er kam sich töricht vor, als er mit hängenden Armen neben ihr stand.
    Eine verspätete Möwe glitt geisterhaft lautlos wie ein Schatten unter dem Fenster vorbei. Gegen die gleißenden Wellen zeichneten ihre Umrisse sich silbrig ab.
    »Die Möwen kommen jeden Abend an mein Fenster, um sich füttern zu lassen«, sagte sie leise.
    Er stellte sich vor, wie die Möwen mit hungrig vorgestreckten Schnäbeln auf dem Wind herbeisegelten und sich flügelschlagend auf die Brotbrocken stürzten, die Trish ihnen zuwarf.
    »Du bist ein Schatz«, rutschte es ihm heraus. Sie lächelte und ging zur Tür, um das Licht anzuknipsen.
    »Kaffee?« fragte sie.
    »Danke.« Sie schien den ironischen Unterton in seiner Stimme nicht bemerkt zu haben.
    Neben dem Wohnzimmer lag eine winzige Kochnische. Er schlenderte ihr bis zur Tür nach und sah zu, wie sie den Kessel füllte und die Tassen aufs Tablett stellte.
    »Sind das alles deine Sachen?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, die Wohnung ist möbliert. Das einzige, das mir hier gehört, ist das Aquarell da drüben. Ich habe es gestern gekauft.«
    Er betrachtete das Bild näher. Es war eine malaiische Straßenszene, die Signatur sagte ihm nichts.
    In dem Zeitungsständer darunter lagen ein paar illustrierte Zeitschriften. Er nahm wahllos die oberste zur Hand. Es war ein deutsches Kunstmagazin. Beim flüchtigen Durchblättern stieß er auf ein ganzseitiges Foto von Trish. Er blinzelte ungläubig. Trish in farbverschmierten Jeans an einer Staffelei mit dem halbfertigen Gemälde eines Gipspferdes. Der Fotograf hatte ihren eindringlich fragenden Ausdruck gut getroffen. Es folgten weitere Fotos auf den nächsten Seiten: Trish mit Giovanni an einem Wiesenabhang, Trish in einem scheunenartigen Atelier, dann Abbildungen ihrer Gemälde: eine Schale mit gelben Blumen, fünf Gestalten gegen einen kubistisch anmutenden Hintergrund, eine verödete Strandlandschaft. Er übersetzte holprig die Überschriften: »Wie ein Komet am Himmel der Kunst …«, »Patricia Sedara – malendes Genie …«, »… mit der Grazie und Vision eines wahren Genies …«
    Er hatte begonnen, den Begleitartikel zu lesen, als Trish mit den dampfenden Tassen aus der Küche kam. Er nahm sie ihr ab und wies auf die Zeitschrift.
    »Ich wußte gar nicht, daß du berühmt bist!«
    Sie warf einen Blick auf die Zeitschrift und zuckte die Achseln. »Ach das. Das hat mir eine Freundin zugeschickt.«
    »Im Ernst: Ich hatte keine Ahnung, daß du so begabt bist.«
    Sie schien ihre Antwort sorgfältig abzuwägen. »Natürlich bin ich nicht so gut, wie die da schreiben. Du weißt ja, wie solche Leute übertreiben. Aber ich male ganz gut, und ich glaube, ich werde noch besser.«
    Ihre Offenheit verwirrte ihn. Wieder wurde ihm unklar bewußt, daß er etwas verloren hatte, daß sie ihm entglitten war, wohin er nicht mehr folgen konnte. Eine Tür war

Weitere Kostenlose Bücher