Die Erbsünde
ihm vor der Nase zugeschlagen worden, und er wußte, daß das Geheimnis, von dem er ausgeschlossen war, etwas mit ihrer Malerei zu tun hatte.
Er legte die Zeitschrift hin und trank seinen Kaffee.
Sie sprachen wieder über Giovanni, und Deon erklärte ihr, was während der nächsten Tage geschehen würde: Blutanalyse, Röntgenaufnahmen, um sicherzugehen, daß die Lungen frei waren, Urintests, um ein Nierenleiden oder Diabetes auszuschließen; lauter Routinemaßnahmen, versicherte er ihr tröstend. Moolman war ein netter junger Mann. Giovanni würde sich bestimmt wohl fühlen.
Deon lehnte sich in seinen dürftig gepolsterten Sessel zurück und lächelte ihr ermunternd zu.
»Und da bist du also eine berühmte Malerin. Aber neulich in Hermanus am Strand sagtest du doch, daß du nicht malen konntest.«
»Das war in Madrid«, sagte sie, »als mir klar wurde, daß ich so ein Pseudoleben führte.«
»Und nach deiner Heirat hast du wieder angefangen?«
»Ja.«
»Das ist oft so, nicht? Man braucht einen Ruck, der – nun ja, der einen inspiriert.«
Sie sah ihn befremdet an. »Ich finde, daß es in den seltensten Fällen so funktioniert. Die Leute haben so romantische Vorstellungen vom Schaffungsprozeß. Ein Künstler macht seine Arbeit wie jeder andere. Wenn er seelisch aufgewühlt ist, wie ich in Madrid, arbeitet er weniger gut. Weiter hat es damit nichts auf sich.«
»Und seitdem hast du immer gemalt?«
»Ja.«
Ehe ihm etwas zu sagen einfiel, stand sie auf, um die Tassen abzuräumen. Als sie aus der Küche kam, fing er wieder von Giovanni an. Er spürte, daß sie hoffte, er würde bald gehen, aber er wollte nicht. Er wußte, daß sie ihn nicht brauchte, aber er hatte das Bedürfnis, von ihr gebraucht zu werden. Er versuchte, das Gespräch wieder auf ihre Malerei zu bringen, um die unsichtbare Tür gewaltsam aufzubrechen, die sie trennte. Sie gab nichts sagende Antworten, aber er ließ nicht locker.
Endlich bot sie ihm einen Drink an. Er hörte sich wie unter einem unbeherrschbaren Zwang weiterfaseln. Er fühlte sich in dieser zugigen, dürftig eingerichteten Wohnung geborgen. Nichts und niemand konnte ihm hier etwas anhaben. Am liebsten wäre er die ganze Nacht geblieben, der Teufel mochte sich darum scheren, wie er sein Fortbleiben am nächsten Tag erklären mochte. Dabei fiel ihm Elizabeth ein. Sie hatte damals auch so eine kleine Wohnung gehabt. Elizabeth und Deon. Elizabeth und Philip. Hatte auch Philip damals, wie er jetzt, Zuflucht gesucht? In all den Jahren hatte er sich oft Gedanken darübergemacht, was genau zwischen den beiden gewesen war. Er hatte keine Antwort gefunden. Elizabeth hatte es ihm nie gesagt.
Er erhob sich und stellte überrascht fest, daß er leicht schwankte. »Ich muß gehen«, sagte er.
Dem Umbruchredaktor wurde allmählich flau zumute. Die ersten beiden Seiten sollten in Druck, und er hatte noch keinen Leitartikel. Er schob ratlos ein Bündel Manuskripte hin und her. Nichts Brauchbares dabei.
»Ich brauche einen Aufmacher für Seite sechs«, erinnerte der Setzer ihn völlig überflüssigerweise.
»Als wenn ich das nicht wüsste«, brummte der Redaktor verdrießlich. Eine Hetze war das immer Freitag nachmittags! Er wünschte, es wäre schon Sonntag, dann könnte er mit seiner Frau am Fluss angeln. Die Rohrpost an seinem Schreibtisch gab einen Rülpser von sich, und eine Blechdose flog heraus. Hoffnungsvoll entrollte er das Manuskriptbündel. Die Börsenberichte schob er beiseite, aber die nächsten Seiten kamen aus der Filiale in Kapstadt. Er las die Einleitung.
»Großer Gott!« stieß er hervor. Der Chefredaktor sah neugierig herüber. »Das ist vielleicht ein Knüller! Es kommt von Lategan am Kap.« Er reichte ihm die erste Seite und las weiter. Jetzt war er wieder obenauf. Damit hatte er seinen Aufmacher gefunden.
Deon erwachte mit einem Gefühl dumpfer Verlassenheit, ohne sich darüber klar zu sein, welches die Ursache war. Allmählich kehrten schmerzlich die Fragmente in sein Bewußtsein zurück.
Er hatte gestern abend mit Elizabeth einen Streit gehabt, angeblich wegen seiner Haltung Lisa gegenüber, aber etwas ganz anderes steckte dahinter, etwas, das sie beide anging. Er hatte gespürt, daß seine Frau von einem inneren Fieber verzehrt wurde wie ein eingesperrtes wildes Tier, das fest entschlossen zur Flucht ist.
Die Sonne warf einen breiten Lichtbalken quer über sein Bett. Ihm war heiß. Er warf die Decken zurück und legte sich wieder hin. Mit geschlossenen Augen
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