Die Erbsünde
abgestellt hatte, schmetterten ihm die abgehackten Rhythmen der Musik entgegen. Er stellte seinen Wagen in das struppige Gebüsch neben die parkenden Sportcoupés. Offensichtlich war die junge Lebewelt von Kapstadt in voller Zahl versammelt. Er stand einen Augenblick unschlüssig im Mondlicht unter den Bäumen. In die hämmernden Takte der Musik mischten sich andere Geräusche: ein schrilles Lachen, das Gewirr der Stimmen. Es würde einige Zeit dauern, bis er in Stimmung käme. Sollte er nicht doch lieber zurück ins Krankenhaus fahren? Unsinn – jetzt war er einmal hier. Er straffte die Schultern und ging über den ausgetretenen Weg auf das alte Fachwerkhaus zu.
Es stand einsam auf einem kleinen Hügel; ein Hohlweg trennte es von den anderen Häusern, und das war wohl der Grund, warum Hamish hier lebte und nicht in der teuren Wohnung, die seine Mutter ihm in der Stadt gemietet hatte. In dieser Abgelegenheit konnte er verhältnismäßig ungestraft seine wüsten Parties feiern. Zwar beschwerte sich hin und wieder ein Nachbar bei der Polizei, wenn sie es gar zu toll trieben, und eine Scheinrazia wurde durchgeführt. Aber Hamish war bei den Beamten bekannt und beliebt, denn er hatte früher für eine Zeitung gearbeitet. Das war zu einer Zeit, als seine Mutter eine ihrer Phasen durchmachte, die unter dem Motto standen: »Junge, du kannst doch dein Leben nicht so verplempern.« Der Chefredaktor hatte ihn aus lauter Verzweiflung in die Kriminalabteilung gesteckt. Hamish, der sehr leutselig war, kannte bald jeden Wachtmeister zwischen Simonstown und Seapoint. Zum Artikelschreiben kam er allerdings kaum. Nach wenigen Monaten gab Mrs. Denton auf, und Hamish und die Zeitungsgesellschaft trennten sich gütlich und mit beiderseitiger Erleichterung. So kam es, daß meistens ein paar Drinks genügten, um die Polizisten abzuschieben, die sich dann im Bewußtsein getaner Pflicht friedlich entfernten. Es kam sogar vor, daß sie auf einer Runde bei einer seiner Parties ›Razzia‹ machten, ohne eine förmliche Strafanzeige abzuwarten.
Deon durchquerte die tiefen Schatten der kleinen Schlucht und erreichte kletternd den gegenüberliegenden Hügel. Jetzt war der Blick zum Meer frei. Es war ruhig und glatt, mildes Mondlicht lag auf den Wellen. Vielleicht hatte Hamish doch nicht nur Parties im Sinn gehabt, als er beschloß, hier zu wohnen.
Ein weißgestrichener Holzzaun hatte früher den verwilderten Garten umgeben; die Latten waren nach und nach den Flammen der Lagerfeuer zum Opfer gefallen. Die freistehenden Torpfosten mit dem überflüssig gewordenen Tor waren übriggeblieben. Deon beugte sich vor, um das Schild zu lesen: ›Villa Zirrhose‹. Er grinste und ging um das Tor herum ins Haus.
Zwei Paare lagen in regloser Umklammerung auf dem Fußboden der Veranda. Deon kletterte behutsam über ihre Körper. In dem dunklen Gang stand ein weiteres Paar. Es löste sich widerstrebend aus seiner Verschlingung, um Deon vorbeizulassen.
Hamish hatte das Wohnzimmer vergrößert, indem er einfach die Trennwand zu einem der Schlafräume durchbrechen ließ. Als die Parties umfangreicher wurden, war er genötigt, auch die andere Wand niederzureißen. Jetzt war das Haus nur noch ein leeres Gehäuse: ein Gang mit drei Türen, die alle ins selbe Zimmer führten, eine winzige Küche und ein angebautes Badezimmer. Hamish schlief – wenn er schlief – auf einem Liegebett auf der Veranda.
Jetzt tanzte er im Halbdunkel mit einem schwarzhaarigen Mädchen vorbei, das sehr wacklig auf den Beinen war und seinen Kopf vertrauensvoll an seine Brust lehnte. Er winkte Deon ausgelassen zu und deutete in die Ecke. Seine Worte gingen in dem Getöse unter.
Deon stand unschlüssig an der Tür. Wie ein Schwimmer, der kurz zögert, ehe er ins eiskalte Wasser springt, scheute er einen Augenblick vor dem Gefühl zurück. Es gab nur eins, um gegen den Krawall immun zu werden. Deon knuffte sich resolut durch die Menge in Richtung Bar.
Enttäuscht stellte er fest, daß es weder Bier noch Spirituosen gab, denn dies war eine von Hamishs ›Weinparties‹. Also füllte er einen Becher mit Rotwein und nippte im Stehen daran, während er sich die anderen Gäste ansah.
Mädchen waren jedenfalls genug da. Das war der wirklich große Vorteil bei Hamishs Parties. Die Männer waren zwar meistens fade Juristen oder junge leitende Angestellte, aber die Puppen waren Klasse. Am liebsten waren Deon Hamishs Künstlerparties, nur die Mädchen waren da immer merkwürdig.
Die
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