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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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Jede Nacht dasselbe: Er geht ins Bett und macht das Licht aus und schon marschieren ganze Armeen kleiner Männchen unter dem Türspalt herein und klettern an seinem Bett hoch, angeführt von einer kompletten Blaskapelle mit Tambourmajor und allem Drum und Dran. Sie nehmen auf seiner Brust Aufstellung, dann zieht der Oberst das Schwert und schreit: ›Angreifen!‹, und die ganze Bande stürmt los und versucht, ihm in Nase, Mund und Ohren zu krabbeln.«
    »Robby, das erfindest du!« schmollte Liz.
    Robby hob schwörend drei Finger: »So wahr mir Gott helfe!«
    »Was hat die Sicherheitsnadel damit zu tun?« fragte Deon.
    »Wart ab, kommt gleich. Also, dieser Typ versuchte alles, um die kleinen Männchen loszuwerden. Er bestrich sich mit Sirup, damit sie an ihm kleben blieben, aber sie brachten Schaufeln mit und gruben sich Wege hindurch. Heute aber hatte er eine glänzende Idee: Er füllte eine Badewanne mit Wasser und stellte sein Bett daneben. Dann tat er, als schlafe er ein und wartete auf die Männchen. Sobald sie alle auf ihm herumkrabbelten, sprang er mit einem Satz ins Wasser, und all die kleinen Männchen ertranken.«
    Robby wartete, bis ihr Gelächter abebbte, dann fuhr er fort: »Alle, außer einem. Der muß ein besonders guter Schwimmer gewesen sein, denn er rettete sich platschend auf die Nasenspitze des Kerls und klammerte sich verzweifelt daran fest, selbst als der den Kopf unter Wasser hielt.«
    »Und die Sicherheitsnadel?« wollte Deon wissen.
    »Na ja, er konnte das Männchen nicht ersäufen, ohne selbst dabei zu ertrinken; da hat er ihn eben mit einer Sicherheitsnadel durchgestochen und auf der Nase festgesteckt. So kam er auf der Polizeiwache an, mit der einfachen und doch so verständlichen Bitte, das Männchen zu verhaften, was die Dummköpfe natürlich nicht kapierten.«
    Mitten in ihr schallendes Gelächter öffnete sich die Tür, und Philip trat ein. Unter dem Arm trug er ein medizinisches Handbuch. Er sah gutmütig lächelnd in die Runde, sagte aber nichts. Deon stand sofort auf, um ihn Liz vorzustellen. Philip machte eine leichte, höfliche Verbeugung, kam aber nicht näher. Nach kurzem Zögern ging er auf den Sessel zu, der am weitesten vom Kamin entfernt stand.
    »Setz dich doch zu uns«, sagte Deon, ehe Philip Platz nehmen konnte. Wieder zögerte der Farbige. Dann zog er einen hochlehnigen Stuhl vom Tisch weg und setzte sich unsicher auf die Kante, das Buch auf dem Schoß. Er sah ins Feuer, und der Widerschein der Flammen spielte auf seinem unbeweglichen Gesicht mit den hohen Wangenknochen.
    »Du löst mich nächste Woche auf der Station für Verbrennungen ab, Deon?« fragte Philip abrupt.
    »Ja, stimmt.«
    »Heute Abend kamen drei Neueingänge«, sagte Philip, und dann schnell, als habe er sich die Worte vorher zurechtgelegt: »Einer ist ganz schlimm dran. Ich schätze über dreißig Prozent.«
    Deon bemerkte mit Erstaunen, daß Elizabeth, die sonst nicht zögerte, ihr Desinteresse an medizinischen Themen offen kundzutun, aufmerksam zugehört hatte. Er war sicher, daß sie von dem Gesagten nichts verstand. War es also nur eine Schau, die sie vor Philip abzog, um ihm seine Befangenheit zu nehmen?
    Aus dem Lautsprecher säuselte es sanft: »Dr. Davids. Dr. Davids.«
    Philip ging zum Telefon, nahm den Hörer ab, sagte ein paar Mal ungeduldig: »Ja – ja«, legte auf und eilte zur Tür. Dort blieb er stehen, als werde er sich jetzt bewußt, wo er eigentlich war. »Gute Nacht«, sagte er mit einer kleinen Verbeugung zu Elizabeth. Seine leichten, aber festen Schritte verhallten im Korridor.
    »Wer ist denn das?« fragte Elizabeth.
    »Das Genie vom Dienst«, brummte Robby grimmig.
    Deon lachte. »Du mußt zugeben, daß er seine Sache versteht.«
    »Nur schade, daß er so pausenlos recht hat. Ab und zu könnte er ruhig mal zeigen, daß auch er sich irren kann, wie alle anderen Menschen.«
    »Aber was ist er?« fragte Elizabeth.
    »Assistent. Genau wie wir. Bloß, daß er doppelt soviel auf dem Kasten hat – und sich nicht scheut, es zu zeigen.«
    »Hör schon auf, Rob«, beschwichtigte Deon.
    »Ist doch wahr. Aber er ist schon ein heller Junge. Glaub ja nicht, daß ich ihn auf dem Kieker habe, weil er Farbiger ist. Ich kann nur nicht leiden, daß er so höllisch selbstsicher ist.«
    Deon schüttelte nachdenklich den Kopf. »Das ist er, glaub' ich, gar nicht.«
    Elizabeth hatte ihre Zigaretten hervorgeholt, und Deon stand auf, um ihr Feuer zu geben. Während er ein Streichholz anriss, sah er

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