Die Erbsünde
einen kranken Esel wieder auf die Beine kriegen«, polterte er weiter.
»Du redest dummes Zeug, das weißt du ja sicher selbst. Woher hast du den blauen Flecken am Hals?« fragte Deon.
»Alte Leute kriegen so was schnell«, wich sein Vater aus.
»Hast du noch mehr?«
»Ein paar«, gab er zu. Er streifte den Ärmel hoch, seine Arme waren mit blauen Flecken bedeckt.
Ein schrecklicher Verdacht stieg in Deon hoch. »Wirst du schnell müde?«
»Hör auf mit der Fragerei, Doktor. Geh und unterhalte dich mit den Gästen. Manche von denen wären sicher froh über deinen ärztlichen Rat.« Johan Van der Riet stand auf. In seinen Augen saß ein verstecktes Lachen, ein Gelächter über einen Witz, den niemand, außer ihm selbst, je verstehen würde.
Aber so schnell ließ Deon sich nicht abschütteln.
Nachmittags waren sie beide allein in dem Hotelzimmer, wo die Familienangehörigen sich vor der Zeremonie umgezogen hatten.
»Hör mal zu«, begann er vorsichtig, »ich muß in zehn Minuten losfahren. Lass mich doch vorher noch schnell einen Blick auf dich werfen, ja?«
Sein Vater protestierte schwach, zog aber dann doch Jacke und Hemd aus und legte sich aufs Bett.
Keine vergrößerten Lymphknoten. Die Schleimhäute waren sehr blass, der ganze Oberkörper mit violetten Flecken bedeckt.
Ob er wohl etwas wußte – oder ahnte? Er war zu stolz, eine Schwäche zu bekennen, selbst wenn es sich um den unvermeidlichen Verfall des Körpers handelte.
»Öffnest du mal bitte die Hose? Und zieh sie auch gleich ein bißchen runter, damit ich deinen Magen untersuchen kann.«
»Ihr Ärzte raubt einem aber auch das letzte bißchen Würde«, brummte sein Vater. Seine Augen wanderten von Deons Gesicht zur Zimmerdecke.
Keine vergrößerte Leber. Die Milz konnte er nicht ertasten. »Bitte tief atmen.« Deon drückte die Fingerspitzen weit unter dem Rippenrand hinein. Da war etwas Hartes. Er hielt den Atem an. Wahrscheinlich war es nur der Rippenrand. Es mußte einfach so sein. »Noch mal tief atmen.« Diesmal gab es keinen Zweifel. Er fühlte deutlich den Einschnitt der vergrößerten Milz.
Deon richtete sich auf. Sein Vater holte den Blick von der Decke zurück. »Bist du fertig, Doktor?«
Deon lächelte ihn an. »Fix und fertig.«
»Und was ist los mit mir?«
»Ich weiß nicht, ob es was Ernstes ist.« Deon zwang sich, seinem Vater fest in die Augen zu sehen, zu lächeln, ohne etwas von seinen Gefühlen zu verraten. »Aber ich finde, du solltest zur Sicherheit mit mir nach Kapstadt kommen. Ich hätte gern, daß der Professor dich untersucht und ein paar Blutproben macht.«
»Jetzt? Heute?«
»Heute.«
»Boet will Flitterwochen machen. Wer soll sich um die Farm kümmern?«
»Boets Flitterwochen können warten«, sagte Deon unbarmherzig, »oder die Farm muß sich selbst überlassen bleiben. Das hier ist wichtiger.«
Sein Vater zuckte die Achseln. »Also gut. Du bist schließlich der Arzt.«
Als sie zusammen die knarrenden Stufen des Hotels hinunterstiegen, schlug sein Vater ihn leicht auf den Rücken und lachte in sich hinein. »Kopf hoch, mein Junge. Wie heißt es doch im Buche Hiob? ›Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe.‹«
Winter
8
Telefon. Telefon. Telefon. In den letzten Monaten hatte er diese Höllenmaschine so richtig hassen gelernt. Sie beherrschte sein Leben, unterbrach ihn bei den Mahlzeiten oder im Schlaf mit der rücksichtslosen Forderung, sich auf die Station, in die Unfallabteilung oder den Operationssaal zu schleppen.
»Van der Riet«, meldete er sich jetzt mit übertrieben erschöpfter Stimme, in der Hoffnung, am anderen Ende der Leitung ein Fünkchen Mitgefühl zu wecken.
Die monotone Stimme in der Krankenhauszentrale sagte unpersönlich: »Gespräch für Sie, bitte bleiben Sie am Apparat.«
Deon brummte ärgerlich vor sich hin. Er hatte sich auf ein paar Minuten Schlaf nach dem Essen gefreut. Aber es war sowieso bald Zeit, zurück auf die Station zu gehen. Er machte sich Sorgen um den kleinen Janssen. Dies war der dritte Tag nach der Operation, und er zeigte noch keine Anzeichen von Darmbewegung, zudem hatte sich heute Abend Fieber eingestellt. Er war Bill du Toits Fall. Deon wollte Bill später noch deswegen anrufen.
Aus der Zentrale kam wieder die tonlose Stimme: »ich verbinde.«
»Deon!?« platzte eine Mädchenstimme heraus.
»Hallo?« Er tat überrascht. »Tag, Schatz.«
»Tag, du schöner Fremder!« sagte Liz spöttisch. »Ich wollte mich nur vergewissern, ob
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