Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
Vom Netzwerk:
kenne ich noch nicht.«
    »Aber Robby kennst du, und der hat sich seither nicht geändert. Die Verantwortung eines Arztes hat ihn nicht gerade in die Knie gezwungen.«
    »Robby ist ein Clown«, sagte sie bestimmt. »Manchmal wirken seine Späße ein wenig an den Haaren herbeigezogen.«
    »Willst du die Geschichte hören oder nicht?«
    »Ja, erzähl schon.«
    Deon lächelte gezwungen. »An jedem Heiligabend veranstalteten die Krankenschwestern ein Weihnachtssingen«, begann er. »In ihrer Tracht ziehen sie, mit Kerzen in der Hand, von Station zu Station. Meistens gehen auch ein paar Ordensschwestern mit, verhinderte Opernsängerinnen, nehm' ich an. Robby hatte eine Wette abgeschlossen, daß es ihm gelingen würde, da mitzuziehen, ohne aufzufallen. Und mitsingen wollte er natürlich auch.«
    Sie lachten, und Deon fuhr ermuntert fort.
    »Also besorgte Robby sich eine Perücke und eine Schwesterntracht, mit allem, was dazugehört. Am Heiligabend warf er sich in diese Kluft, schminkte sich, sogar falsche Wimpern klebte er sich an, und trank sich mit ein paar Gläschen Kognak Mut an. Dann versteckte er sich im Waschraum und wartete dort zwischen den Bettpfannen.«
    »Das kann ich mir lebhaft vorstellen«, sagte Elizabeth. Der strenge Ausdruck war aus ihren Augen gewichen.
    »Die Sängerinnen weckten gerade zum zigsten Mal die Patienten mit ihrem ›Stille Nacht, heilige Nacht‹ auf, als Robby aus dem Waschraum schlüpfte und sich ihnen unauffällig anschloss. Ein paar Schwestern sahen ihn zwar schief von der Seite an, aber einige der Mädchen waren eingeweiht und deckten ihn vor den anderen.«
    »Und – hat er gesungen?« fragte Elizabeth.
    »Ich glaube, er wollte sein Schicksal nicht allzu sehr herausfordern und begnügte sich damit, die Lippen zu bewegen.«
    »Und dann kam noch das Theater in der Kapelle«, erinnerte Philip sich.
    »Richtig. Als sie durch das ganze Krankenhaus gezogen waren, gingen all die lieben kleinen Engelchen in die Kapelle zur Christmette. In dem Jahr hatten sie dort einen jungen katholischen Kaplan, und Robby setzte sich ihm direkt vor die Nase. Als die Predigt in vollem Gange war, zwinkerte er ihm zu.«
    Elizabeth schmunzelte.
    »Der Kaplan traute seinen Augen nicht und sah weg. Aber Robby merkte, daß der Priester ihn heimlich beobachtete. Er klapperte verführerisch mit den Augendeckeln und fuhr sich einladend mit der Zunge über die Lippen. Als er auch noch seinen falschen Busen einladend vorstreckte, war der arme Kaplan drauf und dran, die Fassung zu verlieren. Er konnte einfach nicht wegsehen.«
    »Er war wie hypnotisiert«, warf Philip ein.
    »Als Krönung des Ganzen lüpfte Robby auch noch seinen Rock. Jedes Mal, wenn der Kaplan sich wieder einigermaßen in der Gewalt hatte, zog Robby seinen Rock ein Stückchen weiter nach oben. Als er ihn weit genug oben hatte, endete die Predigt ganz unvermittelt.«
    Nach kurzem Zögern fiel Elizabeth in das Gelächter der Männer ein. »Der arme Kerl«, sagte sie.
    Dann schwiegen sie, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
    Deon lag daran, die heitere Stimmung zu erhalten. »Erinnerst du dich noch an das Anschlagbrett im Schwesternheim? Was wir da immer alles hingehängt haben! Wie war das doch mit den Jungfrauen?« unterbrach er die Stille.
    »Ich weiß es nicht mehr so recht.«
    »Ach ja, so was Ähnliches wie: ›Heute Abend Versammlung sämtlicher Jungfrauen in der Telefonzelle vor dem Ärztebungalow!‹«
    Philip lächelte, und es entstand eine Verlegenheitspause, die zu unterbrechen Deon sich verpflichtet fühlte.
    »Wie lange hast du vor, hier in Südafrika zu bleiben?«
    Philip zuckte die Achseln. »Ich bin für sechs Monate von meiner Universität beurlaubt. Aber es hängt alles von … Na ja, du weißt ja.«
    »Ja. Ich hätte deine Mutter schon längst besuchen müssen.« Deon wußte, daß seine Worte unecht klangen.
    »Komisch, daß deine Mutter und mein … mein Vater beide …«
    »Komisch ist es eigentlich nicht.«
    »Ich meine auch nicht komisch in dem Sinne. Ich meine …«
    »Ich verstehe schon. Aber es ist kein Zufall. Alte Leute, weißt du …«
    Wieder diese lähmende Pause. Haben wir uns denn wirklich so wenig zu sagen?
    »Wann, glaubst du, werden sie soweit sein, Krebs heilen zu können?« fragte Deon, um die Leere auszufüllen. »Man forscht und forscht, aber immer noch ohne Erfolg.«
    Philip kräuselte die Lippen. »Das würde ich nicht sagen. Wir lernen täglich mehr darüber, besonders über die

Weitere Kostenlose Bücher