Die Erbsünde
Kamin, als beobachte er das Flackern unsichtbarer Flammen.
»Ich nehme an, du weißt, warum er dich sehen wollte«, sagte Deon.
Philip überlegte kurz. »Ja«, sagte er einfach.
Ihre Blicke trafen sich, glitten zur Seite.
»Ich habe in den letzten Jahren viel darüber nachgedacht«, sagte Deon.
Philip nickte verstehend.
»Wie lange wusstest du es schon?« fuhr Deon fort.
Philip runzelte die Stirn und verzog die Lippen. »Wenn ich jetzt so zurückdenke, hätte ich längst einen Verdacht schöpfen müssen, schon als Kind. Meine Mutter ließ des öfteren Bemerkungen fallen wie: ›Du dürftest dich nicht so abrackern müssen‹, oder ›Wenn dir deine Rechte zuerkannt würden, müsstest du nicht in so schäbigen Kleidern herumlaufen.‹ Offen hat sie jedoch nie darüber gesprochen. Erst als ich dein Blut untersuchte, fiel bei mir der Groschen.«
»Mein Blut?«
»Ja. Der Professor hatte mich gebeten, eine Methode zur Vervollkommnung der Technik zur Darstellung hochqualitativer Karyotypen zu entwickeln.«
»Was ist denn das?« warf Elizabeth ein.
Philip zog an seinem Ohrläppchen und sah sie an. »Nun, im wesentlichen ist es nichts weiter als eine Fotografie von Chromosomen, wie sie durch ein besonders starkes Mikroskop gesehen werden.«
»Ach so«, sagte sie lächelnd.
»Damals hatte man noch nicht viel Ahnung davon. Ich machte also ein paar Versuche mit Proben, die ich dem Laborpersonal abzapfte, und wenn es keine Freiwilligen gab, habe ich mein eigenes Blut benutzt. Zuerst wollte ich nur die Technik üben. Aber bald begann ich, die Ergebnisse genauer zu untersuchen, und dabei fiel mir auf, daß mit einem meiner Chromosomen etwas nicht stimmte. Es hatte einen ungewöhnlich langen Arm!«
»Hast du es mit anderen verglichen?« fragte Deon.
»Ja. Und ich habe angefangen, mir Sorgen zu machen, als der Professor die Anomalie nicht erklären konnte. Wie gesagt, damals wußte man noch nicht viel über diese Dinge. Jedenfalls schickte er das Foto einem Freund nach Oxford, um dessen Meinung zu hören. Drei Wochen lang habe ich Blut und Wasser geschwitzt, aus Angst, eine schreckliche Krankheit geerbt zu haben. Dann kam die Antwort: Kein Grund zur Besorgnis, ich war natürlich kolossal erleichtert und habe die ganze Geschichte wieder vergessen … bis zu dem Tag, als ich dein Blut untersuchte, Deon.«
»Wann war das denn?«
»Erinnerst du dich nicht? An dem Abend, als ich dich zufällig im Gemeinschaftsraum traf und mit ins Labor nahm, um dir etwas Blut abzunehmen.«
Die Erinnerung kehrte zurück, als hebe sich ein Vorhang vor Deons Augen.
»Natürlich«, sagte er. »Das war an dem Abend, nachdem …«, er zögerte, blickte zu Elizabeth hinüber, nahm einen neuen Anlauf, »… nachdem wir … an dem Abend …« Er zuckte die Schultern und wandte sich wieder zu Philip. »Und dann hast du in meinem Blut das gleiche langarmige Chromosom entdeckt?«
»Ja, Deon.«
»Und bei meinem …« Deon stockte wieder. Er sah Philip voll an. »Und bei unserem Vater auch? Als er im Krankenhaus war?«
»Ja. Ich fand keine Ruhe, bis ich nicht die volle Wahrheit wußte.«
»Des Zufalls langer Arm, könnte man sagen.« Deon lachte laut über die Irrsinnigkeit seiner Bemerkung und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Es scheint alles … so unglaublich. Na ja, immerhin hat er zum Schluß versucht, es wiedergutzumachen.«
Philip schwieg und blickte zur Seite. Leise sagte er: »Ich war nie verbittert darüber, obwohl ich die Ungerechtigkeit empfand. Es ist schwer zu ertragen, wenn man nicht anerkannt wird. Aber man lernt, es hinzunehmen.« Er betrachtete eines der Gemälde an der Wand, das von den blauen Schatten auf dunkler Haut lebte.
Sie schwiegen alle.
»Trotz allem«, sagte Philip schnell. »Es war eine schöne Zeit.«
Deon, der froh war, das Thema wechseln zu können, es aber doch nicht ganz fallenlassen wollte, sagte lebhaft: »Auf der Farm war es herrlich. Da fielen solche Dinge noch nicht ins Gewicht. Kinder empfinden so etwas noch nicht.«
Philip war noch in die Betrachtung des Gemäldes vertieft. »Vielleicht nicht«, meinte er. »Aber, um es in vollem Umfang zu sehen, muß man selbst auf der anderen Seite gestanden haben. Aber das hatte ich eben nicht gemeint. Ich dachte da besonders an das erste Jahr unserer Assistentenzeit.«
»Ja. Du hast ja Robby heute wieder gesehen. Weißt du noch – Robby und die Weihnachtssänger?«
Philip lachte. »Ja.«
»Weihnachtssänger?« fragte Elizabeth. »Die Geschichte
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