Die Erde ist nah
Die Verbindung mit der Zentrale ist vorläufig einwandfrei.
Endlich berühre ich also direkt die Landschaft meiner einstigen Träume. Vielleicht ist sie nur ein eintöniges Staubmeer, hoffnungslos, grausam hinterhältig; aber sie ist unberührt, und das erregt mich. Ich begreife, was alte Seefahrer in die Fernen unbekannter Ozeane trieb, was früheren Forschungsreisenden Kraft verlieh, wenn sie, zermürbt von Krankheiten, in das Innere unbekannten Festlandes vordrangen . . . Das Gelände verändert sich plötzlich. Die Dünen sind niedriger und bestehen aus feinem Sand, vermischt mit Steinen. Auch die Bodensicht wird besser. Hier gibt es keinen feinen, vom schwachen Wind angewehten Staub. Die geologische Gruppe sammelt Bodenmuster. - Nach dreistündiger Fahrt durch die einförmige, steinige Wüste erheben sich im grauen Hintergrund des staubigen Horizonts die dunklen Umrisse von Felsklippen, die in der dämmrigen Beleuchtung riesig, schreckenerregend und - entfernt aussehen. Der zu ihnen aufsteigende Hang ist zwar nicht steil, doch von Felsbrocken und Geröll bedeckt. Die Weiterfahrt ist unmöglich. Wir beschließen, zu Fuß weiterzugehen.
Zu unserer großen Überraschung erreichen wir die Felsen schon nach wenigen Minuten. Die aus der Ferne so mächtig aussehenden Felsen sind nicht höher als zwanzig Meter. Im Kopfhörer des Helms höre ich das erregte Gespräch der Geologen, aus dem ich schließe, daß sich der Weg gelohnt hat. Das Felsengebilde in der Form eines zerfallenen, geschwungenen Bogens, dessen Länge wir auf ungefähr dreihundert Meter schätzen, nennen wir zu unserer eigenen Orientierung und nach dem ersten Eindruck »Gespensterberg«. Es handelt sich offensichtlich um den Rest eines sehr alten Kraters. Der Ausblick vom Kamm der zerklüfteten Steinmassen bietet ein düsteres Bild von besonderer Schönheit. Die fast senkrecht über uns stehende Sonne durchleuchtet den gelblichgrauen Nebel und verleiht dem braunroten Gestein der Felsen einen matten Glanz. In dem zerstreuten Licht verlieren die dunklen Schatten der tiefen Klüfte ihre Härte, und die ganze Landschaft sieht wie ein mit Pastellfarben gemaltes Bild aus. Weil die Verbindung mit der Basis ausgezeichnet ist, und wir an der Ausrüstung keinerlei Mängel feststellen und mehr als genügend Reservechemikalien zum Füllen der Sauerstoffgeräte haben, vereinbart O'Brien mit dem Kapitän, den ganzen Tag der Erforschung des »Gespensterbergs« zu widmen. Die Ausbeute der Geologen ist zwar umfangreich, doch als O'Brien seine Muster in das Kästchen für die Laborforschungen legt, sagt er wieder etwas von einer sterilen Wüste. Gegen drei Uhr nachmittags beginnt sich die Sicht zu verschlechtern. Von der Basis meldet uns Jenkins zunehmenden Wind. Wir entscheiden uns deshalb für die sofortige Rückkehr. Bei der Fahrt zwischen Dünen aus feinerem Sand wird die Sicht so schlecht, daß wir einander über eine Entfernung von zehn Metern nicht mehr sehen. Begreiflicherweise ist auch das Fahren in der ersten Spur der Schlepper nicht mehr möglich, .denn sie ist bereits mit Staub verweht. Dank dem Peilsystem haben wir keine Schwierigkeiten mit der Orientierung. Dafür gibt es Komplikationen mit den Anhängern. Wir geraten auf der windgeschützten Seite der Dünen immer wieder in Staubwehen. Das Rückwärtsfahren mit den Anhängern ist sehr schwierig, und die beiden Männer auf dem Anhänger müssen helfen.
Obwohl wir uns alle gegenseitig gewissenhaft ablösen, kommen wir nach dem ersten ganztägigen Aufenthalt in der Wüste völlig erschöpft an. Die wertvollste Erfahrung dieses Tages ist für mich die Erkenntnis, daß die uns umgebende unberührte und majestätische Wüste nicht unbezwingbar ist.
In den folgenden elf Tagen waren wir auf der Basis gefangen. Ein ununterbrochener Wind überzog das Firmament mit einem schweren Staubschleier und überschüttete die Basis mit feinem Sand. Nur mit Mühe hielten wir den Zugang zum elektrischen Kraftwerk frei, dessen Staubfilter zum Fluch der Basis wurden. Die Meßgeräte der meteorologischen Station waren zwar mit verläßlichen, hermetisch abgeschlossenen Antriebswerken versehen, doch Morphy hatte keine Ruhe, ehe er sich nicht täglich überzeugt hatte, daß keines der Geräte aussetzte. Auf Befehl des Kapitäns mußte er sich in diesen Tagen mit einem gleitenden Haken am Orientierungsseil befestigen. Diese Vorsichtsmaßnahme war nicht übertrieben. Bei dem herrschenden Wetter würde es genügen, zu stolpern oder
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