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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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sein, die Festung Deucalionis Regio in zwei Angriffen zu nehmen, zu Lande und aus der Luft.
    Noch am selben Tag hatte Williams die Ursache des Defekts gefunden. Der Sicherungsknopf der Hauptzuleitung für Treibstoff war nicht ganz niedergedrückt. Ein kleines Versehen des Fahrers. Ich war überzeugt, daß Williams einen harten Kampf mit seinem Gewissen ausgefochten hatte, ehe er sich entschloß, das Geheimnis einzugestehen. Das Vertrauen der Expedition in die Verläßlichkeit des Fahrzeugs war wichtiger als das persönliche Prestige.
    Die überraschende Rettung der Astra hatte etwas Unerwartetes zur Folge. Der Kapitän deutete an, den Flug in das Gebiet Deucalionis Regio nicht zu gestatten, wenn sich die Astra bei der Generalprobe nicht bewähre. O'Brien, der so viel Anstrengung und Hoffnung in diesen Plan gelegt hatte, konnte sich nicht mehr beherrschen und fragte den Kapitän, ob er beabsichtige, die Hauptaufgabe der Expedition dauernd zu hintertreiben. Das war ein unglücklicher Satz, in dem jene Bitterkeit lag, die nur ein Mensch empfinden kann, dessen Lebenswerk vor seinen Augen zusammenzubrechen beginnt. Ein unglücklicher Satz, denn O'Brien hatte ihn in der Anwesenheit von McKinley, Glennon und mir ausgesprochen. Ich hoffte, daß sich O'Brien für seine Unbesonnenheit entschuldigen würde. Ich konnte nicht begreifen, wo seine philosophische Ausgeglichenheit, seine Feinfühligkeit und sein Taktgefühl geblieben waren. Er schien sich völlig in einen anderen Menschen verwandelt zu haben. Ich dachte daran, daß wir uns vielleicht alle ändern, wenn wir Bewohner eines anderen Planeten werden. Wir verlieren vielleicht auch unser menschliches Wesen? Oder ist das wahre Wesen des Menschen das, was sich in uns unter der Maske der Zivilisation zu bewegen beginnt? Der Kapitän, dessen bleiches Gesicht noch mehr erblaßte, öffnete den
    Mund, als wollte er etwas sagen, konnte sich aber nicht dazu entschließen. In diesem peinlichen Schweigen überfiel uns alle Angst um das Schicksal der Expedition. Endlich begann der Kapitän zu sprechen: »Sie sind krank oder überarbeitet, O'Brien, ruhen Sie sich aus.« Dann fuhr er ruhig in der Darlegung seiner Ansicht über das Risiko der Aktion mit der Libelle fort. Ich sah Schweißtropfen auf seiner Stirn. O'Brien verließ schweigend den Raum. Als O'Brien fortgegangen war, versuchte ich den bedrückenden Eindruck dieser Begegnung zu verscheuchen. Leider wußte ich, daß ich mich zu belügen versuchte. Ich habe nie Phrasen geliebt. Der Kapitän wollte mir scheinbar helfen und unterbrach mich: »Cosby, lassen Sie das. Krank ist keiner von uns. Außer, Sie als Psychologe würden gekränkte Eitelkeit als Krankheit betrachten.«
    Entsetzt stellte ich fest, daß der herausgeforderte Kapitän zur gleichen Waffe griff wie O'Brien.
    Wir widmeten jetzt eine Reihe von Tagen den Probefahrten mit der Astra in der nahen Umgebung der Basis. In dieser Zeit wurden auch Tiefenbohrungen vorgenommen. Obwohl ihre Ergebnisse den Geologen viele wissenschaftlich wertvolle Erkenntnisse brachten, kam es zu keinen umwälzenden Entdeckungen. Die alte Hypothese von Eismassen unter der Schicht von Staub und Sand in diesem Gebiet der Wüste fand nicht die geringste Bestätigung. Die Tiefenbohrungen zeigten nur äolische Sedimente* von ungewöhnlicher Wucht, meist aus Silikaten** und roten und gelben Eisenoxyden zusammengesetzt.
    An den Stellen, wo aus den vom Wind angewehten Ablagerungen kompaktes Material herausragte, handelte es sich nur um eine ärmliche Reihe von Gestein, stellenweise mit Limonitschichten bedeckt. Für die Astrobiologie war das Gebiet
    * Äolische Sedimente = vom Wind verursachte Ablagerungen ** Silikate = Salze der Kieselsäure (häufigste Gruppe der Minerale)
    der Wüste Edom wirklich steril. Tausende Kilometer nach Norden, nach Osten und nach Westen nur tote Wüste: Moab, Aeria, Chryse.
    Es war kein Wunder, daß die Leichtigkeit, mit der die Libelle die grauenhaft öden Flächen zu überwinden imstande war, O'Brien nicht schlafen ließ. Doch an dem Tag, als Lawrenson mit McKinley zur Erkundung des Geländes starteten, durch das unsere Route führen sollte, wurden alle den Einsatz der Libelle betreffenden Pläne zunichte. Nach einstündigem Flug meldete Lawrenson, daß der Radiokompaß an Bord der Libelle nicht funktionierte. Obwohl klares und windstilles Wetter war, gab der Kapitän Befehl zur sofortigen Rückkehr. Wir waren sehr beunruhigt, denn die Libelle konnte ohne verläßliches

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