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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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er trat näher, ohne die weißen Münzen aus den Augen zu lassen, die im Kerzenlicht wie Monde glänzten.
    Der Vater, der den Kopf gewandt hatte, folgte seinem Blick, gewahrte das Geld und zuckte zusammen. Rasch stellte er einen Teller darauf, um es zu verstecken. Zu spät.
    Schlapper Dummkopf! dachte er, verärgert über seine Nachlässigkeit. Die Große hat recht. Dann sagte er laut und roh:
    »Du tust gut daran, daß du zahlen kommst, denn so wahr uns die Kerze da bescheint, ich wollte dir morgen den Gerichtsvollzieher schicken.«
    »Ja, Bangbüx hat mir das gesagt«, seufzte Jesus Christus sehr demütig, »und ich habe mich herbemüht, weil Ihr meinen Tod doch nicht wünschen könnt, nicht wahr? Zahlen, lieber Gott, womit zahlen, wenn man nicht einmal genug Brot hat? – Wir haben alles verkauft; oh, ich schneide nicht auf, kommt selber nachsehen, wenn Ihr glaubt, ich schneide auf. Keine Bettücher mehr, keine Möbel mehr, nichts mehr ... Und obendrein bin ich krank ...«
    Ein ungläubiges Hohnlachen unterbrach ihn.
    Ohne es zu hören, fuhr er fort:
    »Vielleicht sieht das kaum so aus; aber trotzdem habe ich was Schlimmes im Wanst. Ich huste, ich spüre, daß ich abkratze ... Wenn man wenigstens noch Fleischbrühe hätte! Aber wenn man keine Fleischbrühe hat, muß man ins Gras beißen, he? Das stimmt ... Todsicher, ich wurde Euch bezahlen, wenn ich Geld hätte. Sagt mir, wo es welches gibt, damit ich's Euch gebe und damit ich mir zunächst mal Rindfleisch mit Brühe machen kann. Seit vierzehn Tagen hab ich nun überhaupt kein Fleisch gehabt.«
    Rose wurde allmählich gerührt, während Fouan noch böser wurde:
    »Da hast alles versoffen, du Faulpelz, du Taugenichts, da ist dir eben nicht zu helfen! So schöne Äcker, die seit Jahr und Tag in der Familie waren; du hast sie verpfändet! Ja, seit Monaten lebt ihr in Saus und Braus, du und deine Tochter, dieses Luder; und wenn's jetzt zu Ende ist, dann verreckt doch!«
    Jesus Christus zögerte nicht langer, er schluchzte.
    »Was Ihr da sagt, das sagt kein Vater. Man muß ja ein Unmensch sein, wenn man sein Kind verleugnet ... Ich, ich habe ein gutes Herz, und das wird mich noch ins Verderben bringen ... Wenn Ihr kein Geld hättet! Aber da Ihr doch welches habt, verweigert man denn da seinem Sohne ein Almosen? – Ich werde zu anderen betteln gehen, das wird eine saubere Geschichte, ach ja, eine saubere Geschichte!« Und bei jedem Satz, der unter Tränen hervorgestoßen wurde, warf er auf den Teller einen scheelen Blick, der den Alten erzittern ließ. Darauf tat er, als bleibe ihm die Luft weg, er stieß nur noch ohrenbetäubende Schreie aus, wie jemand, der abgeschlachtet wird.
    Rose, die fassungslos und durch das Schluchzen bereits gewonnen war, rang die Hände, um Fouan anzuflehen:
    »Sieh doch mal zu, Mann!«
    Aber Fouan, der sich sträubte, immer noch ablehnte, unterbrach sie:
    »Nein, nein, er macht sich über uns lustig ... Willst du wohl schweigen, dumme Gans? Hat das denn Sinn und Verstand, so herumzubrüllen? Die Nachbarn werden gleich kommen, du machst uns noch alle krank.«
    Aber das verdoppelte nur das Geschrei des Trunkenboldes, der losgrölte:
    »Ich habe euch nicht gesagt ... Morgen kommt der Gerichtsvollzieher zu mir. Ja, wegen eines Wechsels, den ich dem Lambourdieu unterschrieben habe ... Ach, ich bin nur ein Schwein, ich mache euch Schande, ich muß ein Ende machen. Ach, ich Schwein! Ich verdiene nichts weiter, als einen tüchtigen Schluck im Aigre zu trinken, bis übern Durst ... Wenn ich bloß dreißig Francs hätte ...«
    Fouan, der erledigt, besiegt war durch diesen Auftritt, zuckte zusammen bei der Summe von dreißig Francs. Er schob den Teller beiseite. Wozu sich weiter sperren? Wo doch der Schurke die Geldstücke durch das Steingut hindurch sah und zählte.
    »Du willst alles! Bist du denn bei Verstand, Himmelsakrament! Da! Du bringst uns um, nimm die Hälfte und zieh Leine, damit man dich nicht mehr wiedersieht.«
    Jesus Christus, der plötzlich geheilt war, schien mit sich zu Rate zu gehen.
    »Fünfzehn Francs, nein, das reicht nicht, das richtet nichts aus ... Sagen wir zwanzig, und ich laß euch in Ruh'.«
    Als er die vier Hundertsousstücke in der Tasche hatte, brachte er alle zum Lachen, indem er ihnen den Streich erzählte, den er Bécu gespielt hatte, den Streich mit den falschen Grundangeln, die er im verpachteten Teil des Aigre so ausgelegt hatte, daß der Feldhüter ins Wasser gefallen war, als er sie herausziehen wollte. Und

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