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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Einwohner von Rognes fest verwurzelten Haß gegen die Gutsherren von einst, gegen den Bürgerssohn, der heute die Erde besaß, ausgenützt. Todsicher hatte er sie umsonst bekommen, die Erde! Ein richtiger Diebstahl zur Zeit der Revolution! Keine Gefahr, daß sich ein armer Kerl so gute Gelegenheiten zunutze machte, das kam immer wieder nur dem Lumpenpack zugute, eine solche Möglichkeit, sich die Taschen zu füllen! Ganz zu schweigen von den sauberen Geschichten, die da auf La Borderie vor sich gingen. Eine Schande, diese Cognette, die der Herr von den Strohsäcken der Knechte zurückholte, und zwar zu seinem Vergnügen! All das wurde wieder aufgerührt, sprach sich in derben Worten im Ort herum, rief sogar bei denen Entrüstung hervor, die ihre Tochter umgelegt oder verkauft hätten, falls die damit verbundene Aufregung lohnend gewesen wäre. So daß schließlich die Gemeinderatsmitglieder sagten, ein Bürger, der solle, wenn er stehlen und Unzucht treiben wolle, bei den Bürgern bleiben, während man zur guten Führung einer Gemeinde von Bauern einen Bürgermeister haben müsse, der selber Bauer sei.
    Gerade anläßlich der Wahlen setzte ein erster Widerstand Hourdequin in Erstaunen. Während er von Herrn de Chédeville sprach, wurden alle Gesichter zu Holz. Als Macqueron gesehen hatte, wie Hourdequin dem in Ungnade gefallenen Kandidaten treu blieb, hatte er sich gesagt, daß sich ihm hier das richtige Schlachtfeld biete, eine ausgezeichnete Gelegenheit, den Bürgermeister auffliegen zu lassen. Deshalb befürwortete er den Kandidaten des Präfekten, Herrn Rochefontaine, und schrie, alle Männer der Ordnung müßten die Regierung stützen. Dieses Glaubensbekenntnis genügte, ohne daß er es nötig gehabt hätte, die Gemeinderatsmitglieder zu belehren, denn in der Furcht vor dem großen Auskehren hielten sie es immer mit dem, der den Besen führte, waren fest entschlossen, sich dem Stärksten zu ergeben, dem Herrn und Gebieter, damit nichts sich änderte und das Getreide teuer verkauft würde. Delhomme, der Ehrbare, der Gerechte, der diese Meinung vertrat, zog Clou und die anderen mit. Und vollends gefährdete es Hourdequin, daß allein Lengaigne zu ihm hielt, weil der außer sich war über den Einfluß, den Macqueron erlangt hatte. Verleumdung war mit im Spiel, man beschuldigte den Hofbesitzer, »ein Roter« zu sein, einer jener Bettler, die die Republik wollten, um die Bauern auszurotten, so daß Abbé Madeline, der verstört war und glaubte, er habe seine Pfarrstelle dem Stellvertretenden Bürgermeister zu verdanken, selber Herrn Rochefontaine empfahl, obwohl Monsignore Herrn de Chédeville insgeheim begünstigte. Aber ein letzter Schlag brachte den Bürgermeister zum Wanken, das Gerücht lief um, er habe beim Bau des berühmten direkten Weges von Rognes nach Châteaudun die Hälfte des bewilligten Zuschusses in seine Tasche gesteckt. Wie? Das wurde nicht erklärt; wie sich das zugetragen, blieb geheimnisvoll und verabscheuungswürdig. Wenn man Macqueron darüber befragte, setzte er die erschrockene, schmerzliche und verschwiegene Miene eines Mannes auf, dem gewisse Rücksichten den Mund verschließen; er ganz allein war es, der die Sache erfunden hatte. Kurzum, die Gemeinde war durcheinandergebracht, der Gemeinderat war entzweit, auf der einen Seite der Stellvertretende Bürgermeister und alle Ratsmitglieder mit Ausnahme von Lengaigne, auf der anderen der Bürgermeister, der jetzt erst den Ernst der Lage begriff.
    Vierzehn Tage zuvor war Macqueron bereits – er hatte eigens dazu eine Reise nach Châteaudun unternommen – vor Herrn Rochefontaine zu Kreuze gekrochen. Er hatte ihn angefleht, bei niemand anderem als bei ihm abzusteigen, falls er nach Rognes zu kommen geruhe. Und deshalb ging der Schankwirt an diesem Sonntag nach dem Mittagessen unaufhörlich auf die Landstraße hinaus und hielt Ausschau nach seinem Kandidaten. Er hatte Delhomme, Clou und andere Gemeinderatsmitglieder verständigt, die eine Literflasche leerten, damit ihnen die Zeit nicht lang würde. Vater Fouan und Bécu waren ebenfalls dort und spielten eine Partie, desgleichen Lequeu, der Schulmeister, der sich eifrig ans Lesen einer mitgebrachten Zeitung machte, wobei er niemals trank. Aber zwei Gäste beunruhigten den Stellvertretenden Bürgermeister, Jesus Christus und sein Freund Kanone, der sich auf den Landstraßen herumtreibende Arbeiter, die sich beide, einander dicht gegenüber, witzelnd vor einer Flasche Schnaps niedergelassen hatten.

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