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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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seinem Schädel zu schaffen. Er erhob sich, öffnete das Fenster. Die Nacht war weiß vom Mond, Weingeruch stieg aus Rognes auf, vermischt mit dem Geruch von alledem, über das man seit acht Tagen längs der Mauern in großen Schritten hinwegsteigen mußte, diese ganze Blume der Weinlese. Was sollte werden? Wohin sollte er gehen? Sein armes bißchen Geld, er würde sich nicht mehr von ihm trennen, er würde es sich auf die Haut nahen. Als ihm dann der Wind den Geruch ins Gesicht blies, kam ihm der Gedanke an Gédéon wieder: so ein Esel, der war stramm gebaut! Der hatte zehnmal mehr Vergnügen als ein Mensch, ohne daran zu verrecken. Einerlei! Bestohlen bei seinem Jüngsten, bestohlen bei seinem Ältesten, ihm blieb keine Wahl. Das beste war, bis auf weiteres auf dem Schloß zu bleiben und die Augen aufzumachen. All seine alten Knochen zitterten davor.
     

Kapitel V
    Monate verflossen, der Winter verstrich, dann der Frühling; und in Rognes ging das Leben weiter seinen gewohnten Gang; Jahre waren nötig, damit man den Dingen ansah, daß sie in diesem düsteren, unaufhörlich wieder von vorn beginnenden Arbeitsleben geschehen waren.
    Im Juli versetzten unter der drückend heißen Sonne jedoch die nahe bevorstehenden Wahlen das Dorf in Aufregung. Dieses Mal ging es dabei um eine verborgene, ganz große Geschichte. Man redete darüber, man wartete auf die Wahlrundreisen der Kandidaten.
    Und ausgerechnet an dem Sonntag, für den die Ankunft Herrn Rochefontaines, des Fabrikbesitzers aus Châteaudun, angekündigt war, brach am Morgen bei Geierkopf ein furchtbarer Krach zwischen Lise und Françoise los. Das Beispiel bewies gut, daß die Dinge ihren Lauf nehmen, wenn man ihnen auch nicht ansieht, daß sie geschehen, denn das letzte Band, das die beiden Schwestern vereinte, das immer nahe am Zerreißen war, das immer wieder geknotet wurde, war so dünn geworden, durch die täglichen Streitereien so zerschlissen, daß es glatt riß, um sich niemals wieder zusammenknüpfen zu lassen, und zwar anläßlich einer Dummheit, über die viel Wesens zu machen wirklich kein Grund bestand.
    An diesem Morgen war Françoise, als sie die Kühe zurückbrachte, einen Augenblick stehengeblieben, um mit Jean zu plaudern, den sie soeben vor der Kirche getroffen hatte. Es muß gesagt werden, daß sie sich etwas herausfordernd dabei benahm, so unmittelbar dem Hause gegenüber, einzig und allein in der Absicht, Geierkopfs hochzubringen. Als sie heimkam, schrie ihr Lise deshalb auch entgegen:
    »Du weißt, wenn du dich mit deinen Kerlen treffen willst, sieh zu, daß das nicht unter unserm Fenster geschieht!«
    Geierkopf, der im Begriff war, eine Hippe zu schleifen, war dabei und hörte zu.
    »Meine Kerle«, wiederholte Françoise, »die treff ich hier zur Genüge, meine Kerle! Und einer ist darunter ... wenn ich gewollt hätte, würde mich das Schwein in deinem Bett genommen haben, und nicht unterm Fenster.«
    Diese Anspielung auf Geierkopf brachte Lise außer sich. Seit langem begehrte sie nur eines, ihre Schwester rauszuschmeißen, um Ruhe in ihrem Haushalt zu haben, und wenn sie ihr dabei die Hälfte des Besitzes aushändigen mußte. Das war sogar der Grund, der sie veranlaßte, auf ihrem Mann herumzuhacken, der gegenteiliger Meinung und entschlossen war, bis zum Schluß alle Schliche anzuwenden, und der übrigens die Hoffnung nicht aufgab, doch noch mit der Kleinen zu schlafen, solange sie und er das hatten, was zu so was nötig war. Und Lise ärgerte sich, daß sie keineswegs die Herrin im Hause war, und wurde nun von einer seltsamen Eifersucht gequält, war noch immer bereit, ihre jüngere Schwester umlegen zu lassen, bloß um dem ein Ende zu machen, obwohl sie raste, wenn sie sah, wie er in Hitze geriet wegen dieser Göre, deren Jugend, deren kleiner fester Busen, deren weiße Haut an den Armen unter den hochgekrempelten Ärmeln ihr ein Greuel geworden waren. Wenn sie den beiden auch die Kerze gehalten hätte, ihr wäre es am liebsten gewesen, er hätte alles zuschanden gemacht, sie hätte selber dreingehauen, nicht weil sie darunter litt, daß sie teilen müßte, sondern weil sie bei der größer und giftig gewordenen Nebenbuhlerschaft darunter litt, daß ihre Schwester besser aussah als sie und es mit der wohl mehr Spaß machte.
    »Schlampe!« brüllte sie. »Du reizt ihn ja! – Wenn du dich nicht immerzu an ihn hängen würdest, würde er nicht deinem schlecht abgewischten Gassenmädelhintern nachrennen. Was Sauberes ist mir

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