Die Erde
Leidenschaft, seine einzige Leidenschaft, ihn verbrannt hatte, bis seine Muskeln dahinschmolzen. Die Leiche war am Rande der klaffenden Grube angekommen. Jeans Blick, der ihr folgte, schweifte weiter, über die Mauer hinweg, von einem Ende der Beauce zum anderen; und auf den Sturzäckern, die sich da entrollten, fand er bis ins Unendliche seine Säer wieder, mit ihrer steten Handbewegung, dem lebendigen Wellenschlag der Saat, des Samens, der auf die offenen Furchen regnete.
Als Geierkopfs Jean erblickten, tauschten sie einen kurzen Blick der Besorgnis. War der Kerl etwa gekommen, um da auf sie zu warten, um ihnen einen Skandal zu machen? Solange sie spürten, daß er noch in Rognes war, würden sie nicht ruhig schlafen. Der Ministrant, der das Kreuz hielt, hatte es soeben am Fußende der Grube in die Erde gepflanzt, während Abbé Godard rasch seine letzten Gebete hersagte und dabei vor dem Sarg stand, den man ins Gras gestellt hatte. Aber den Anwesenden bot sich eine Ablenkung, als sie sahen, wie Macqueron und Lengaigne, die verspätet eingetroffen waren, unentwegt zur Ebene hinschauten. Alle drehten sich dann nach dieser Richtung um, interessierten sich für einen dicken Rauch, der sich über den Himmel wälzte. Das mußte wohl auf La Borderie sein, man hätte meinen können, Mieten brannten da hinter dem Gehöft.
»Ego sum ...«78, schleuderte der Pfarrer wütend von sich. Die Gesichter wandten sich ihm wieder zu, die Augen hefteten sich von neuem auf die Leiche; und allein Herr Charles setzte mit leiser Stimme eine mit Delhomme begonnene Unterhaltung fort. Er hatte am Morgen einen Brief von seiner Frau bekommen, er war hell entzückt. Elodie hatte sich, kaum in Chartres angekommen, als erstaunlich erwiesen, als ebenso tatkräftig und schlau wie Nénesse. Sie hatte ihren Vater reingelegt, sie führte bereits das Haus. So eine Gabe, was! Der richtige Blick und der richtige Griff! Und Herr Charles wurde gerührt beim Gedanken an sein hinfort glückliches Alter auf seinem Besitztum Roseblanche, wo seine Sammlungen von Rosenstöcken und Nelkenstauden niemals besser gewachsen waren, wo die Vögel in seinem Vogelhaus, die wieder gesund waren, ihre Gesänge wiederfanden, deren Lieblichkeit ihm die Seele bewegte. »Amen!« sagte sehr laut der Ministrant, der den Weihwasserkessel trug.
Sofort stimmte Abbé Godard mit seiner zornigen Stimme an: »De profundis clamavi ad te, Domine ...«79
Und er sang weiter, während Jesus Christus, der Fanny beiseite geführt hatte, wieder heftig über Geierkopfs herzog:
»Wenn ich neulich nicht so besoffen gewesen wäre ... Aber das ist ja zu dumm, daß wir uns so bestehlen lassen.«
»Was das betrifft, so sind wir schon bestohlen«, murmelte Fanny.
»Denn schließlich«, fuhr Jesus Christus fort, »haben diese Schurken die Wertpapiere ... Und seit langem haben sie die Nutznießung von ihnen, sie sind sich mit Vater Saucisse einig geworden, ich weiß es ... Himmelsakrament! Wollen wir ihnen denn nicht einen Prozeß auf den Hals laden?«
Sie wich vor ihm zurück, sie lehnte rasch ab.
»Nein, nein, ich nicht! Ich habe genug mit meinen Angelegenheiten ... Du kannst ja, wenn du willst.«
Jesus Christus winkte nun auch voller Furcht und Hilflosigkeit ab. Da er nun seine Schwester nicht vorschieben konnte, war er sich seiner persönlichen Beziehungen zur Justiz nicht sicher genug.
»Oh, ich, man malt sich manchmal so was aus ... Einerlei, wenn man ehrbar ist, kann man zum Lohn dafür hocherhobenen Hauptes schreiten.«
Die Große, die zuhörte, sah zu, wie er sich hochreckte mit der würdigen Miene eines braven Mannes. Sie hatte ihn immer beschuldigt, ein Einfaltspinsel zu sein bei seiner Bettelarmut. Das tat ihr leid, daß so ein großer Kerl nicht hinging zu seinem Bruder und alles kurz und klein schlug, um sein Teil zu kriegen. Und bloß um sich über ihn und Fanny lustig zu machen, sagte sie ihnen ohne Übergang, als ob das vom Himmel falle, wieder ihr gewohntes Versprechen her:
»Na, das steht fest, daß ich niemand Unrecht zufügen werde. Das Papier ist in Ordnung, aber das alles hat noch gute Weile; und jedem sein Teil, ich könnte nicht ruhig sterben, wenn ich irgendeinen bevorzugte. Hyacinthe ist dabei, du auch, Fanny ... Ich bin neunzig Jahre. Das kommt, das kommt eines Tages!«
Aber sie glaubte kein Wort davon, war in ihrer Eigensinnigkeit, immer etwas zu besitzen, fest entschlossen, niemals zu sterben. Sie würde sie alle beerdigen. Wieder einer, diesmal ihr Bruder, den
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