Die Erde
dieses jahrhundertelange Begehren, dieses unaufhörlich hinausgeschobene Besitzen erklärte seine Liebe zu seinem Feld, seine Leidenschaft zur Erde, zu soviel Erde wie möglich, zur fetten Scholle, die man berührt, die man in der hohlen Hand wiegt. Wie gleichgültig und undankbar war sie jedoch, die Erde! Man mochte sie noch so sehr vergöttern, sie erwärmte sich nicht, brachte nicht ein Korn mehr hervor. Zu starke Regenfälle ließen die Saaten verfaulen, Hagelschläge zerhackten das Getreide auf dem Halm, ein Gewitterwind legte die Stengel um, zwei Monate Trockenheit ließen die Ähren verkümmern; und dann gab es noch die zernagenden Insekten, die tötenden Kälteeinbrüche, die Krankheiten, die das Vieh befielen, die Unkrautpflanzen, diesen Krebsschaden, der den Boden auffraß; alles wurde eine Ursache zum Verderben, es blieb bei den Zufälligkeiten der Unwissenheit ein tägliches Ringen in ständigem Alarmzustand. Wahrlich, er hatte sich nicht geschont, hatte mit beiden Fäusten dreingeschlagen, wütend, weil er sehen mußte, daß die Arbeit allein nicht ausreichte. Er hatte dabei die Muskeln seines Körpers ausgedörrt, er hatte sich ganz und gar der Erde hingegeben, die ihn, nachdem sie ihn notdürftig ernährt hatte, elend, unbefriedigt, sich der greisenhaften Impotenz schämend, verließ, und die, ohne auch nur Mitleid zu haben mit seinen armen Knochen, in die Arme eines anderen Mannestiers überging, auf das sie wartete. »Und so ist's eben! Und so ist's eben!« fuhr der Vater fort. »Man ist jung, man rackert sich ab; und wenn es einem mit Mühe und Not gelungen ist, sein Auskommen zu haben, ist man alt, muß man abtreten ... Nicht wahr, Rose?«
Die Mutter schüttelte ihren zitternden Kopf. Ach du meine Güte! Sie hatte gearbeitet, sie auch, todsicher mehr als ein Mann! Vor den andern war sie aufgestanden, um das Essen zu machen, auszufegen, zu scheuern, das Kreuz war ihr schier zerbrochen von tausenderlei Besorgungen: die Kühe, das Schwein, der Backtrog – und sie hatte sich immer erst nach den anderen schlafen gelegt! Sie mußte schon handfest sein, sonst wäre sie daran verreckt. Und ihr einziger Lohn war, gelebt zu haben: man sammelte nur Runzeln, war noch sehr glücklich, wenn man, nachdem man jeden Heller viermal umgedreht, sich ohne Licht schlafen gelegt und sich mit Brot und Wasser begnügt hatte, genug behielt, um nicht in seinen alten Tagen Hungers zu sterben.
»Trotzdem«, fuhr Fouan fort, »dürfen wir uns nicht beklagen. Ich habe mir erzählen lassen, daß es Länder gibt, wo die Erde einen Hundedreck hergibt. So haben sie im Perche nur Kieselsteine ... In der Beauce ist die Erde noch weich, sie verlangt nur eine beständige gute Bearbeitung ... Bloß, das nimmt eine Wendung zum Schlimmen. Sicher wird es weniger mit ihrer Fruchtbarkeit; Felder, auf denen man früher zwanzig Doppelzentner geerntet hat, bringen heute nur fünfzehn ... Und der Preis für den Doppelzentner sinkt seit einem Jahr. Es wird erzählt, daß Getreide von dort kommt, wo die Wilden zu Hause sind, das ist was Schlechtes, was da beginnt, eine Krise, wie sie sagen ... Ist denn das Unheil niemals zu Ende? Denen ihr allgemeines Wahlrecht, das schafft kein Fleisch in den Kochtopf, nicht wahr? Die Grundsteuer zerbricht uns die Schultern, man nimmt uns immer noch unsere Kinder für den Krieg weg ... Ach, geht mir, man mag noch so viele Revolutionen machen, das ist gehuppt wie gesprungen, und der Bauer bleibt der Bauer.«
Jean, der sehr genau war, wartete ab, um zu Ende vorzulesen. Als wieder Schweigen eingetreten war, las er sacht weiter:
»Glücklicher Ackermann, verlaß das Dorf nicht um der Stadt willen, wo du alles kaufen mußt, die Milch, das Fleisch und das Gemüse, wo du wegen der vielen Gelegenheiten immer mehr ausgeben wirst als notwendig. Hast du nicht auf dem Dorfe Luft und Sonne, eine gesunde Arbeit, ehrbare Freuden? Das Leben auf freiem Felde hat nicht seinesgleichen, du besitzt das wahre Glück, fern vom vergoldeten Stuck; und der Beweis dafür ist, daß die Arbeiter aus den Städten aufs Land kommen, um sich gütlich zu tun, ebenso wie die Bürger nur den einen Traum haben, sich in deine Nähe zurückzuziehen, um Blumen zu pflücken, Früchte von den Bäumen zu essen, Purzelbäume auf dem Rasen zu schießen. Laß dir's wohl gesagt sein, Jacques Bonhomme, daß das Geld Trug ist. Wenn du den Frieden des Herzens hast, ist dein Glück besiegelt.« Die Stimme versagte ihm fast, er mußte eine Rührung
Weitere Kostenlose Bücher