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Die Erdfresserin

Die Erdfresserin

Titel: Die Erdfresserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julya Rabinowich
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zurückreicht, wie alles in meinem Leben leer zurückgegeben wird, ohne Kommentar, werfe das verräterisch leere Glas vom verräterischen Leo vor seine Füße aufs Linoleum und will es zersplittern sehen wie unser verräterisches Zusammensein, das mich krank macht und befangen und ängstlich, es zu verlieren.
    Leo sieht mich erstaunt an, immer noch wirkt er wie ein Kind, das nicht fassen kann, dass jemand absichtlich böse Dinge tut. Er hat den Mund offen stehen, er schüttelt den Kopf ein wenig, gleich wird er mir versichern, dass diese Zerstörungswut nur zufällig und vor allem unabsichtlich ist, eine schnelle Entschuldigung für mich suchen, so wie er sie bald für sich suchen wird, wenn er gesundet.
    Ich will Leos Entschuldigungen nicht, er kann mich nicht entschulden, noch sich, unser Wir soll zerspringen wie das verdammte Glas vor seinen gestreiften Hausschuhen.
    Das Glas springt kurz vom Boden hoch und rollt dann in einem Stück seitwärts an Leos Füßen vorbei den Gang entlang. Leo folgt ihm mit seinem Blick, dann steht er schwerfällig auf, um ihm hinterherzuwanken, ohne etwas zu sagen. Ich stehe immer noch lässig an die Kommode gelehnt, sage auch nichts und sehe ihm zu, wie er sich unsicher bückt und nach dem Glas fischt und keucht und das Gleichgewicht verliert. Er stützt sich auf seinen feisten Armen ab, mit seinem unförmigen Hintern senkrecht in der Höhe. Die Größe der Proportionen entspricht dem windelverstärkten Hintern eines Babys, und ich muss plötzlich lachen, während er auf die Knie fällt und immer noch nichts sagt, sich langsam umwälzt und aufsetzt, nach dem Glas greift und es hochhebt und zwischen uns in die Luft hält wie einen Blumenstrauß oder ein Schild.
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

»Was machen Sie, wenn Sie das Gefühl haben, nichts geht mehr?«
»Ich habe kein solches Gefühl.«
»Waren Sie denn nie verzweifelt?«
»Das muss man sich leisten können.«
    8
    Mein Rücken liegt auf dem feuchten Grasrücken der Erde, beide sind überzogen von einer dünnen Schicht Nässe. Es ist schwül, wir schwitzen, unsere Feuchtigkeit berührt sich und vermengt uns, die Erde und mich. Rücken an Rücken wie zwei Duellanten. An ihrem Baumstämme wie Borsten misstrauisch aufgestellt, an meinem bloß die hellen Härchen, denn ich friere trotz der lauwarmen Luft um mich.
    Zehn Schritte haben wir, bevor wir uns einander zuwenden, bevor der erste Schuss fällt. Ich werde betrügen. Ich werde betrügen wie immer, ich habe es noch nie geschafft, auf die Lüge zu verzichten, auf die Täuschung, ich bin zu schwach, mit offenen Karten zu spielen, ich bin zu stark, um unterzugehen, jetzt noch nicht.
    Ich drücke meine Schulterblätter fester in meine Gegnerin hinein, ich fühle, wie sie Kuhlen in ihre Oberfläche formen, spüre kleine Klümpchen ihres Leibes an meinem Nacken, losgelöst von ihrem unendlich schweren Ganzen, so viel schwerer als ich, so viel größer, unbeteiligt und gnadenlos und doch das Zuhause.
    Halt mich fest. Nimm mich zurück. Aber unbefleckt nimm mich zurück, nimm mich ganz, verstecke mich bei dir, lösche mich aus, verändere mich, bis ich eine andere werde, eine Kuh vielleicht oder eine Pflanze. Meine Finger suchen ihren Weg durch das Gras, reißen unbarmherzig Halme aus auf ihrem Weg, ungeduldig bohre ich sie in den Boden neben mir, der Nagel meines Ringfingers bricht ab, der Schmerz ist kurz, aber wirkungsvoll, ich hebe die Hand an meinen Mund und lutsche an ihm, kleine Brösel schwarzer Erde bleiben an meinen Lippen zurück.
    Schwarzes Brot wie zu Hause, denke ich und lecke sie ab. Schwarzbrot meiner Mutter fällt mir ein, das sie am Sonntag selbst gebacken hatte, in ein besticktes Tuch eingeschlagen, grobes Tuch, schwerer Stoff mit roter Stickerei, alles an ihr ist schwer, rot, schwarz, vertraut, das dampfende Brot auf dem klobigen Holztisch der Küche, die dampfende Schwelle aus Stein, die dampfenden Hände über den Schneewehen, die halbverhangenen, dunklen Augen, so dunkel wie ihr Schwarzbrot, das sie liebevoll an ihre flache Brust gedrückt hält, jeder Laib Brot perfekt rund, der Bauch einer Fruchtbaren, deren Frucht genießbar ist, nicht nur genießbar, sondern gut, von einer glatten Beschaffenheit die Kruste, duftend, zu Hause. Die langen, glatten Haare zu einem strengen Knoten gedreht, an den Schläfen scheint schon lange die Haut durch, rote Ohrringe in den ebenfalls durchscheinenden kleinen Ohren.
    Ich werde

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