Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
Vom Netzwerk:
die »tollen Knollen« jedoch erst viel später: In Preußen begann derKartoffelanbau 1738 in großem Stil. Zuvor waren die Knollen schon in Lancashire, Sachsen und Schottland gepflanzt worden.
    In Frankreich feiert man bis heute Antoine Parmentier als »Entdecker« der Kartoffel. Verschiedene Kartoffelgerichte tragen sogar seinen Namen. Die Umstände der revolutionären Entdeckung werden dabei jedoch selten thematisiert: Während des Siebenjährigen Kriegs von 1756 bis 1763, als Großbritannien, Preußen und Portugal gegen Frankreich, Spanien, Österreich, Russland und Schweden kämpften, landete Parmentier in einem preußischen Militärgefängnis. Dort gab es – na was wohl? – Kartoffeln. Er konnte sich also quasi vor Ort von den Vorzügen der Knollen überzeugen und verfügte über Zeit und Muße, sich intensiv mit ihnen zu befassen. Zwar existierte der Kartoffelanbau bereits in einigen Teilen Frankreichs, wie in Anjou und im Limousin, doch die meisten Franzosen lehnten die Knolle ab. Parmentier bediente sich eines Tricks, um ihr zur Popularität zu verhelfen: Ein Kartoffelfeld westlich von Paris ließ er tagsüber von Bewaffneten bewachen. Nachts zogen die Wächter ab. Die Pariser zogen daraus die Schlussfolgerung, dass Kartoffeln besonders wertvoll sein mussten. Also plünderten sie in der Nacht regelmäßig die Felder. Der Konsum der Erdäpfel zog entsprechend an. Dieselbe Anekdote erzählt man allerdings auch über den »Alten Fritz«.

3. D IE G EBURT DER G RANDE C UISINE
    Shakespeare und Molière, Galileo Galilei, Kepler, Leibniz, Newton: Diese Namen prägten das 17. Jahrhundert. Es war die Zeit des Rationalismus, in der man die Brechung des Lichts, die Schall- und Fallgeschwindigkeit entdeckte und das Mikroskop und das Fernrohr erfand.
    Die Roberval-Waage, eine heute noch verbreitete Balkenwaage mit Parallelogramm-Gestänge, wurde ebenso eingeführt wie das Thermometer. Daniel Gabriel Fahrenheit und Anders Celsius schlugen 1724 und 1742 ihre Temperaturskalen vor.
    Die Kirche sah diese Explosion nicht gern. Die Erde hatte der Mittelpunkt der Schöpfung zu sein, wer wie Galileo Galilei das Gegenteil behauptete, wurde der Ketzerei angeklagt.
    Absolutismus war die Staatsform des 17. Jahrhunderts. L’État, c’est moi , »der Staat bin ich«, lautete die Devise von Frankreichs Sonnenkönig Ludwig dem XIV. Alle Macht ging vom König aus, sogar die Natur sollte sich ihm beugen. In England pflegte man hingegen andere Ideen: Das Parlament erhielt eine Kontrollfunktion gegenüber der Monarchie, die persönliche Freiheit und Souveränität des Volkes wurden gestärkt. In Deutschland wiederum wütete von 1618 bis 1648 der Dreißigjährige Krieg zwischen katholischer Liga und protestantischer Union. Kriegsfolgen und Hungersnöte dezimierten die Bevölkerung. Gab es1618 rund 16 Millionen Deutsche, kamen davon je nach Schätzung 20 bis 45 Prozent, in einigen Teilen des Landes sogar 70 Prozent der Bevölkerung ums Leben.
    Wirtschaftlich profitierten die europäischen Staaten weiterhin von der Entdeckung der Neuen Welt. Von Sklaven gewonnene Rohstoffe – Baumwolle, Zuckerrohr, Kakao, Tabak, Kaffee – wurden importiert, fertige Waren – Werkzeuge, Kleidung, Waffen – exportiert.
    Und die Küche? Gab es dort einen Galileo, einen Shakespeare oder einen Molière?
Ein Plädoyer für den Eigengeschmack
    Zumindest gab es François Pierre de La Varenne (1618-1678), seines Zeichens Küchenchef im Dienste des Marquis von Uxelles. Er publizierte 1651 das Kochbuch Le Cuisinier françois , eine Art Bestandsaufnahme des kulinarischen Fortschritts. La Varenne hatte nur noch wenig für die Gewürzorgien des Mittelalters übrig, stattdessen widmete er sich den Gemüsen wie Gurken, Spargel, Erbsen, Blumenkohl und Artischocken. Eines seiner bekanntesten Zitate lautet: »Wenn ich eine Kohlsuppe esse, möchte ich, dass sie nach Kohl schmeckt.«
    Damit erhebt er die Forderung nach dem Erhalt des Eigengeschmacks der Zutaten, die sich quer durch die Küchengeschichte zieht. Ganz allein ist er damit bereits zu seiner Zeit nicht: In Les délices de la campagne aus dem Jahr 1654 fordert Nicolas de Bonnefons, der Eigengeschmack von Zutaten solle bei der Zubereitung erhalten bleiben. Er bezieht dies zunächst auf Kohl- und Lauchsuppen.
    Zucker wurde von La Varenne weitgehend auf die Dessertsbeschränkt. Regionale Kräuter wie Lorbeersalbei oder Estragon ersetzten Ingwer, Kümmel und Muskatnuss, Butter trat an die Stelle von

Weitere Kostenlose Bücher