Die Erfinder des guten Geschmacks
des Baisers, den man in Frankreich tunlichst Meringue nennen sollte.
Ob dieses zweite Meisterwerk tatsächlich von La Varenne stammt, ist freilich umstritten. Die US-amerikanische Autorin Anne Willan ist in ihrem Buch The Cookbook Library der Meinung, dass nur ein anonymer Zuckerbäcker der Autor sein kann. »Der Stil von Le Pastissier ist lang und explizit, er ähnelt wenig den spärlichen Notizen von La Varenne in Le Cuisinier , der schrieb, als würde er diktieren, während er im Kochtopf rührt.« Laut Willan handelt es sich bei dem Buch vielmehr um die Geheimnisse eines Hofkochs oder eines erfolgreichen Pariser Pâtissiers.
Dom Pérignon
Noch zu La Varennes Lebzeiten trat der Mönch Dom Pérignon 1658 in die Abtei von Hautvillers nahe Epernay ein. Pierre Pérignon gilt als Erfinder des Champagners, des berühmtestenSchaumweins der Welt. Doch seine wahren Verdienste sind umstritten: Perlen im Wein gab es schon vor seiner Zeit. Die Engländer mischten französische Weine während des Transports mit Gewürznelken und Melasse, was den Wein zum Sprudeln brachte.
Zu Zeiten des Mönchs waren die Gewächse der Champagne leichte Rotweine. Perlender Wein galt als fehlerhaft. Die Technik der Flaschengärung mit Hefe kann er nicht erfunden haben. Schließlich wurde Hefe erst 200 Jahre später von Louis Pasteur entdeckt. Auch wäre es unmöglich gewesen, Schaumweine bei Predigten in der Abtei zu nutzen. Andererseits könnte Pérignon bei einer Pilgerfahrt während eines Aufenthalts in Limoux den Schaumwein kennengelernt und nach seiner Rückkehr die dortigen Methoden in die Champagne importiert haben.
Doch konnte er Champagner im heutigen Sinn überhaupt herstellen? Die Rebsorte Chardonnay, auf der dieser teure Schaumwein beruht, wurde erst nach der Reblauskrise am Ende des 19. Jahrhunderts in der Region massiv angepflanzt. Zuvor wuchsen hier auch L’Enfumé, Petit Meslier, Arbane und Fromenteau, Rebsorten, die man heute kaum noch kennt.
Angeblich soll Dom Pérignon beim ersten Probeschluck die unsterblichen Worte gesagt haben: »Ich trinke Sterne.« Der Spruch des Sternentrinkers findet sich freilich erst auf Werbeplakaten des 19. Jahrhunderts. Und nicht eher als 1821 schrieb einer seiner Nachfolger namens Dom Grossard, Pérignon habe den Champagner erfunden.
Dennoch war Dom Pérignon ein Visionär. Kurz nach seinem Ableben im Jahr 1715 hielten Ordensbrüder seine Anweisungen fest. Reben sollten zum Beispiel so geschnitten werden, dass sie klein bleiben und eine geringere Lese produzieren. Augenscheinlich wusste Pérignon, dass kleinere Lesen meist qualitativ hochwertiger ausfallen. Außerdem duldete er keine Beimischungen fremder Substanzen in seinen Weinen. Bei der Lese ließ er größte Sorgfalt walten. Die Mönche erhielten die Anweisung, das Lesegut nicht zu beschädigen und verrottende Trauben auszusortieren. Heute klingt das selbstverständlich, doch damals glich dies einer kleinen Revolution. Die Gebote des Dom Pérignon zeigten erstmals, dass weniger beim Wein auch mehr sein kann.
So legte er durch sein Wissen letztlich doch den Grundstein zur Legende des Champagners. Die Reichen und die Mächtigen, allen voran der russische Zar und Napoleon, blieben ihm über Jahrhunderte treu.
Das Journal des États tenus à Vitry-le-François erklärt im Jahr 1744, dass Champagner jetzt oft prickele. Gerade das Dorf Avize würde sich seit zwölf bis 15 Jahren am Schaumwein bereichern. »Einer der schlimmsten Weißweine« des ganzen Landes hätte sich für 25 bis 30 Francs verkaufen lassen, koste nun aber seit der Mode der knallenden Korken als Schaumwein 300 Francs.
Nach Dom Pérignons Tod war Avize noch arm, doch wenig später muss Champagner bereits in kleinem Maßstab vermarktet worden sein, auch wenn auf dem Großteil der Produktionsfläche weiterhin Rotwein angebaut wurde. Und: Die damaligen französischen Glasbläser waren noch nicht fähig, in großem Maßstab Flaschen herzustellen, die dem Druck des perlenden Weins auch beim Transport widerstanden.
Feiern mit Champagnerkelchen. Ob Mönch Dom Pérignon, der angebliche Champagner-Erfinder, sich das so vorgestellt hatte?
Es gibt Experten, die in der »Mönchslegende« den Versuch sehen, Champagner als »besonders natürlich« zu verkaufen. Wenn es ums Essen und Trinken oder auch um Luxusmarken geht, entfalten solche Mythen besondere Kraft. Sie verwischen die Grenze zwischen der Wahrheit und der Welt, wie wir sie gerne hätten, sie sorgen dafür, dass gewisse
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