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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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Speck; feuchten Sie alles mit etwas Bouillon und ein wenig der Rückstände im Schmortopf an [gemeint ist der Jus, der beim Garen austritt]; garen Sie Ihre Tauben ein wenig mehr als drei Viertel, nehmen Sie sie vom Feuer, lassen sie auskühlen und geben sie in ein Gefäß, dazu ihre Würzung und sechs harte Eigelb; decken Sie es mit einem Deckel aus Teig ab, den Sie eng auf das Gefäß auflegen; vergolden Sie den Deckel und geben Sie oben die Krallen Ihrer Tauben drauf; garen Sie die Pastete und servieren sie so, wie sie ist.

    (Mit dem Vergolden des Deckels ist aller Wahrscheinlichkeit nach das simple Bestreichen mit Eigelb gemeint.)

4. D IE F RANZÖSISCHE R EVOLUTION UND DAS R ESTAURANT
    Das Volk hungert, Marie Antoinette sagt: »Lasst sie doch Kuchen essen.« Die Massen erheben sich, die Bastille wird eingenommen und der König einen Kopf kürzer gemacht. So oder so ähnlich läuft die Französische Revolution zumindest in Filmen ab.
    Tatsächlich dürften die Gründe tiefer gelegen haben: Frankreich steckte in der Krise. Kriege kosteten Geld. Die Beteiligung am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) hatte den Staatsfinanzen massiv geschadet. Den Einfluss des alten Rivalen England in dessen Kolonien in Übersee hatte man durch die Unterstützung der nach Unabhängigkeit strebenden Amerikaner schwächen wollen, doch jetzt lag Frankreich selbst am Boden. Jacques Necker, Generalkontrolleur der Finanzen, schritt 1781 zum Kassensturz: Die Staatseinnahmen von 503 Millionen Livres reichten nicht, um die Ausgaben von 620 Millionen zu decken. Und dann gab es noch ein pikantes Detail: Der Königshof mit seinen Kurtisanen und opulenten Festen schlug mit 36 Millionen aufs Budget.
    Allgemeine Steuerungerechtigkeiten trugen nicht gerade zur Zufriedenheit der Bevölkerung bei: Im Laufe diverser Vergrößerungen des französischen Königreiches wurden manchen Regionen, Dörfern und Berufsgruppen weitreichende Privilegien eingeräumt. In den Dörfchen Domrémy und Greux etwa zahlte niemand Steuern. Nationalheldin Jeanne d’Arc stammte dorther und König Karl VII. hatte das kleine Fiskalparadies 1429 allein aus diesem Grund erschaffen. Angeblich hatte Jeanne selbst um den Steuererlass für die Heimat gebeten; eine ebenso großzügige wie weltliche Geste.
    Auch Adlige leisteten keine Abgaben. Sie schickten ihre Söhne in die permanenten Kriege und Feldzüge, was man als eine Art »Blutsteuer« betrachtete.
    Intellektuelle Kreise zweifelten zudem schon länger an der absoluten Monarchie, die aus göttlichem Recht erwächst. In England gab es ein Alternativmodell, eine Monarchie, die durch ein Parlament beschränkt wurde, das seit den Bill of Rights 1689 Unabhängigkeit genoss.
    Selbst die Adligen haderten mit ihrem Schicksal, denn sie liefen Gefahr, ihre Privilegien zu verlieren. Was lag da näher, als den Bauern, die ohnehin schon Steuern und Kirchensteuern zahlten, weitere Abgaben aufzubürden?
    Das Volk interessierte sich weniger für philosophische Debatten oder Staatsfinanzen als vielmehr für die tägliche Abgabenlast und die hohen Lebenshaltungskosten. Bauern und Handwerker mussten mehr als die Hälfte ihres Einkommens zur Grundversorgung aufbringen. Zudem gab es 1788 eine extrem schlechte Ernte, weshalb die Getreidepreise noch mehr anzogen. Der Preis für das täglich Brot verdreifachte sich. Die Getreidespeicher des Klerus und des Adels blieben allerdings wohlgefüllt.
»Sollen sie doch Kuchen essen«
    In dieser verzweifelten Lage fiel angeblich der besonders böse Satz von Frankreichs Königin Marie Antoinette: »Die Leute haben kein Brot? Sollen sie doch Kuchen essen!«
    In seiner deutschen Übersetzung klingt der Satz noch arroganter als im Original, schließlich wurde er ungenau übersetzt. S’ils n’ont pas de pain, qu’ils mangent de la brioche heißt es im Original. Eine brioche ist jedoch kein Kuchen, etwa im Sinn einer Schwarzwälder Kirschtorte. Sie gehört zu den viennoiseries , wörtlich »Feingebäck«, was wiederum keine ideale Übersetzung ist. Das Wort stammt von Vienne , »Wien«, und geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Boulangerie viennoise , die »Wiener Bäckerei« der Herren August Zang und Ernest Schwarzer in der Pariser Rue de Richelieu 92, zurück. Die war ein voller Erfolg, dortige Backwaren wurden sofort in anderen Bäckereien der Hauptstadt imitiert. Doch Zangs Bäckerei eröffnete erst 1837.
    Dennoch kannte Marie Antoinette die Brioche. Schon in mittelalterlichen

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