Die Erfinder des guten Geschmacks
günstigen Preise waren draußen ausgehängt.
Damit unterschied sich Boulangers Lokal von den Auberges mit einem Tisch für alle Gäste und einem einzigen Tagesgericht ebenso wie von den Tavernen, die überwiegend Wein ausschenkten, den Cabarets mit Wein und kleinen Speisen oder den Traiteuren, die Saucen und Ragout verkauften und manchmal zu einem festen Zeitpunkt Mahlzeiten anboten.
Es war das erste Restaurant und sein Erfolgsgeheimnis war die Transparenz. Der Gast wusste im Voraus, was er essen konnte und was es ihn kosten würde.
Die Definition des Pariser Phänomens »Restaurant« wurde später vom Schriftsteller und Gastrosophen Jean Anthelme Brillat-Savarin geliefert: »Der Speisewirth ( restaurateur ) ist ein Mann, dessen Geschäft darin besteht, dem Publikum ein stets bereites Mahl zu geben, und dessen Speisen je nach der Nachfrage der Verzehrenden in einzelnen Portionen abgegeben werden. Die Anstalt nennt sich Speisewirthschaft ( restauration ).« Diderot schrieb 1767 an Sophie Volland: »Ob es mir beim Restaurateur gefallen hat? Wirklich, ja, unendlich. Man wird gut serviert, ein wenig teuer, aber zu der Zeit, die man möchte.« Doch Boulanger machte sich durch seinen Erfolg auch Feinde. Die Traiteure, die ihr Monopol bedroht sahen, zerrten ihn vor Gericht und verloren prompt. Während der Revolution wurden Stände und ihre Ordnungen durch die Loi Le Chapelier von 1791 einfach abgeschafft. Die alte Ordnung mit der sorgfältigfestgelegten Aufgabenteilung existierte nicht mehr, eine Tatsache, die zum Durchbruch des Restaurants womöglich stärker beitrug als der Erfolg der Fleischbrühe.
Es heißt, der schnelle Erfolg sei dem ersten Restaurateur zügig zu Kopf gestiegen: Boulanger ließ sich von einer Droschke chauffieren, kleidete sich als Grandseigneur und frequentierte nur noch die große Gesellschaft.
Ähnliche Effekte kann man auch heute bei jungen Köchen beobachten, sobald sie von der Presse oder Restaurantführern ausgezeichnet werden.
Der Erfolg gab Boulanger recht, auch wenn seine Speisen nicht besonders raffiniert waren.
Beauvilliers, der Gaumenoffizier
Die Finesse kam 1782, als ein Koch namens Antoine Beauvilliers (1754-1817) das erste Luxuslokal von Paris eröffnete: La Grande Taverne de Londres in der Rue de Richelieu. Nicht weniger als 178 Gerichte bot der Officier du Bouche seinen Gästen, darunter gespickte Kalbskeule mit Spinat, Rebhuhn mit Kohl, Ente mit weißen Rübchen oder Pasteten von Aal, Drosseln oder Schnepfen. Man konnte dort fast wie am Hof von Versailles speisen, in elegantem Ambiente, mit Service, der diesen Namen verdiente, und einem Weinkeller. Beauvilliers »war während mehr als 15 Jahren der berühmteste Speisewirth in Paris«, lobt der große Gastrosoph Brillat-Savarin in seiner Philosophie des Geschmacks : »Er bezeichnete eine Schüssel, die man nicht nehmen sollte, eine andere, für die man sich beeilen müsse, befahl eine dritte, an die kein Mensch gedacht hatte.«
Vielleicht hatte sich Beauvilliers nicht den besten Zeitpunktzur Öffnung eines Luxuslokals ausgesucht. Denn Frankreich stand am Vorabend der Revolution.
R EZEPTE VON B EAUVILLIERS
Matrosengericht (Matelote) vom Neunauge
Nehmen Sie ein oder zwei (Neunaugen); geben Sie sie in fast kochendes Wasser; nehmen Sie die Innereien heraus, schneiden Sie sie in Scheiben; heben Sie das Blut getrennt auf: Entfernen Sie den Kopf und die Schwanzspitze, wie beim Aal: Nehmen Sie eine Kasserolle, die groß genug ist, sie aufnehmen zu können; machen Sie eine Mehlschwitze; geben Sie Ihre Neunaugen hinein, feuchten sie zur Hälfte mit Rotwein, zur Hälfte mit Bouillon an oder, wenn Sie keine Bouillon haben, mit Wasser; fügen Sie kleine blanchierte Zwiebeln hinzu, Pilze, einen Strauß Petersilie und Schnittlauch, Salz, Pfeffer, ein Lorbeerblatt und ein wenig feine Gewürze; garen und entfetten sie: bevor Sie servieren, binden Sie Ihr Matrosengericht mit dem Blut der Neunaugen, vergewissern Sie sich, dass es von gutem Geschmack ist, richten Sie an und servieren Sie.
Taubenpastete nach englischer Art
Nehmen Sie drei Tauben; federn sie, nehmen sie aus, flämmen sie, schneiden Füße, Hälse und Flügel ab; geben Sie sie in eine Kasserolle zusammen mit ihren Innereien wie Leber, Magen, Köpfe, Flügel (mit Ausnahme der Füße); geben Sie einen Strauß Petersilie und Schnittlauch hinzu, ein Lorbeerblatt, Salz, Pfeffer,der ein wenig dominieren sollte, feine Gewürze, ein wenig Basilikum und in Scheiben geschnittenen
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